Helter Skelter - Der Mordrausch des Charles Manson

ihren Stiefvater nicht leiden. Sie hatte das Gefühl, dass Manson in ihr Innerstes blicken konnte.
    Linda Kasabian wurde nun zu einem Mitglied der Family – ging mit auf Abfallsammeltour, hatte Sex mit den Männern, schlich sich nachts mit in Häuser und hörte zu, wenn Manson über die Beatles, Helter Skelter und den bodenlosen Abgrund predigte. Charlie erklärte ihr, dass die Schwarzen zusammenhielten, die Weißen aber nicht, doch er wisse eine Methode, um die Weißen zu vereinen. Es sei die einzige Möglichkeit, behauptete er, verriet ihr jedoch nicht, worin sie bestand.
    Und sie fragte auch nicht danach. Seit ihrer ersten Begegnung hatte Manson immer wieder betont: »Frag nie, warum.« Jedes Mal, wenn er etwas sagte oder tat, was sie irritierte, wurde sie an diesen wie auch einen anderen von Charlies Lieblingsglaubenssätzen erinnert: »Kein Sinn ergibt Sinn.«
    Die ganze Family litt laut Linda unter »Verfolgungswahn vor den Schwarzen«. An Wochenenden verdiente sich George Spahn mit Pferdeverleih schnelles Geld. Gelegentlich waren auch Schwarze unter den Reitern. Manson behauptete, das seien Black Panther, die kämen, um die Family auszuspionieren. Wenn sie kamen, versteckte er die jungen Mädchen. Nachts mussten alle dunkle Kleidung tragen, um nicht weithin sichtbar zu sein, und nach einer Weile ging Manson sogar dazu über, bewaffnete Wachen aufzustellen, die bis zum Morgengrauen nach dem Rechten sahen.
    Mit der Zeit glaubte auch Linda daran, dass Manson Jesus Christus war. Er behauptete dies zwar nie direkt, doch eines Tages fragte er sie: »Weißt du nicht, wer ich bin?«
    Sie antwortete: »Nein, sollte ich da was wissen?«
    Er antwortete nicht, sondern lächelte nur und wirbelte sie spielerisch herum.
    Andererseits hatte sie aber auch Zweifel an dem Ganzen. Den Müttern wurde nicht erlaubt, sich um ihre eigenen Kinder zu kümmern. Sie trennten sie und Tanya, erklärte Linda, weil sie »das Ego abtöten wollten, meinen Stolz auf sie«, und »zuerst war ich damit einverstanden, ich dachte, es wäre vielleicht ganz gut, wenn sie ein eigenständiger Mensch wird«. Außerdem musste sie mehrfach mitansehen, wie Charles Manson Dianne Lake schlug. Linda hatte zwar schon in vielen Kommunen gelebt – vom American Psychodelic Circus in Boston bis zu den Sons of the Earth Mother in der Nähe von Taos –, aber so etwas war ihr neu, daher vergaß sie Charlies Anweisung und fragte Gypsy nach dem Grund. Gypsy behauptete, dass Dianne im Grunde geschlagen werden wolle und Charlie ihr nur diesen Wunsch erfülle.
    Ein Umstand setzte allerdings alle Zweifel außer Kraft: Sie hatte sich in Charles Manson verliebt.
    Linda war etwas mehr als einen Monat auf der Spahn Ranch, als Manson am Nachmittag des 8. August 1969, einem Freitag, der Family erklärte: »Die Zeit für Helter Skelter ist gekommen.«
    Hätte Linda mit ihrer Erzählung an dieser Stelle aufgehört und hätte sie uns nur diese eine wichtige Aussage geliefert, dann wäre sie bereits eine wertvolle Zeugin gewesen. Doch Linda wusste noch viel mehr.
    An diesem Freitagnachmittag hatten etwa eine Stunde nach dem Abendessen sieben oder acht Mitglieder der Family auf dem Bohlenweg vor dem Saloon herumgestanden, als Manson herausgekommen war, Tex, Sadie, Katie und Linda zu sich gerufen und jedem von ihnen aufgetragen hatte, sich Kleider zum Wechseln und ein Messer zu besorgen. Außerdem hatte er Linda befohlen, ihren Führerschein zu holen. Linda war, wie ich später erfuhr, neben Mary Brunner, die an diesem Nachmittag verhaftet worden war, das einzige Family-Mitglied mit einem gültigen Führerschein. Dies war vermutlich einer der Gründe, warum Manson beschlossen hatte, dass Linda die anderen, die im Unterschied zu ihr bereits mindestens ein Jahr bei ihm waren, begleiten sollte. Linda hatte ihr eigenes Messer nicht finden können (da Sadie es hatte), doch hatte sie ein anderes von Larry Jones bekommen. Der Griff war abgebrochen und mit Klebeband fixiert. Brenda hatte Lindas Führerschein gefunden und ihn ihr genau in dem Moment gegeben, als Manson zu ihr gesagt hatte: »Geh mit Tex mit und tu alles, was er dir sagt.«
    Ihrer Aussage nach waren nicht nur Tex, Katie und sie, sondern auch Brenda ­McCann und Larry Jones dabei gewesen, als Manson diese Anweisung gegeben hatte.
    Brenda war jedoch nach wie vor unbeirrbar und weigerte sich, mit der Justiz zusammenzuarbeiten. Larry Jones, mit richtigem Namen Lawrence Bailey, war ein dürrer kleiner Ranchgehilfe, der stets