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Helter Skelter - Der Mordrausch des Charles Manson

Helter Skelter - Der Mordrausch des Charles Manson

Titel: Helter Skelter - Der Mordrausch des Charles Manson Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vincent Bugliosi
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jemandem von der Strafverfolgung über die Tate- und die LaBianca-Morde sprach.
    Wie bereits gesagt: Wäre ich vor die Wahl zwischen Susan und Linda gestellt worden, hätte ich unbesehen Linda den Vorzug gegeben, denn sie hatte niemanden getötet und wäre damit für die Geschworenen weitaus akzeptabler als die grausame Susan. Als ich dann im Büro von Captain Carpenter im Sybil-Brand-Gefängnis mit ihr redete, war ich ausgesprochen erfreut darüber, dass sich die Dinge so entwickelt hatten.
    Die kleine Linda mit ihrem hellbraunen Haar ähnelte stark der Schauspielerin Mia Farrow. Bei näherem Kennenlernen erwies sich Linda als eine stille, lenkbare junge Frau, die andererseits eine Art innere Gewissheit, fast Fatalismus ausstrahlte, wodurch sie viel älter als 20 wirkte. Sie stammte aus zerrütteten Familienverhältnissen und hatte selbst schon zwei gescheiterte Ehen hinter sich, von denen die letzte mit einem jungen Hippie, Robert Kasabian, in die Brüche gegangen war, kurz bevor sie auf die Spahn Ranch ging. Sie hatte ein Kind, ein zweijähriges Mädchen namens Tanya, und war mit dem zweiten im achten Monat schwanger – wie sie glaubte, war das Kind noch von ihrem Mann. Sie war keine sechs Wochen bei der Family gewesen. »Ich war wie ein kleines Mädchen, das sich im Wald verirrt hat und den ersten Weg einschlägt, den es findet.« Die Möglichkeit, über das zu reden, was geschehen war, gab ihr endlich das Gefühl, aus dem Dunkel herauszukommen.
    Seit ihrem 16. Lebensjahr auf sich allein gestellt, war Linda »auf der Suche nach Gott« von der Ost- zur Westküste gezogen. Dabei hatte sie in Kommunen und verschiedenen Hippie-Unterkünften gelebt, Drogen genommen und mit fast jedem geschlafen, der sich für sie interessiert hatte. Sie beschrieb das alles mit einer Offenheit, die mich zuweilen schockierte, die uns jedoch, wie ich wusste, im Zeugenstand zugutekommen würde.
    Von der ersten Befragung an glaubte ich ihre Geschichte und hatte das Gefühl, dass es den Laienrichtern genauso gehen würde. Ihre Antworten kamen ohne Zögern, ohne Ausflüchte und ohne den Versuch, anders erscheinen zu wollen, als sie war. Sie war von einer brutalen Ehrlichkeit. Wenn ein Zeuge vor Gericht die Wahrheit sagt, obwohl seine Aussagen dem eigenen Ansehen schaden, wird er dennoch gut beurteilt. Wenn Linda zu diesen zwei Mordnächten wahrheitsgemäß Auskunft gab, waren ihre Promiskuität, ihr Drogenkonsum und die Diebstähle, die sie begangen hatte, völlig unerheblich. Es würde einzig und allein darauf ankommen, ob die Verteidigung ihre Glaubwürdigkeit hinsichtlich der Ereignisse in jenen beiden Nächten in Zweifel ziehen konnte oder nicht. Und nach unseren ersten beiden Gesprächen wusste ich, dass sie dies nicht können würden, da Linda ganz offensichtlich die Wahrheit sprach.
    Am 28. unterhielt ich mich mit ihr von 13 bis 16.30 Uhr. Es war die erste von vielen langen Befragungen, von denen etwa ein halbes Dutzend um die sechs bis neun Stunden dauerte und die alle in Gegenwart ihres Anwalts im Sybil-Brand-Gefängnis stattfanden. Am Ende jedes Gesprächs riet ich ihr, sich Notizen zu machen, falls ihr in ihrer Zelle noch irgendetwas einfiele, über das wir nicht geredet hatten. Aus einigen dieser Notizen wurden Briefe von zwölf und mehr Seiten, die sie an mich richtete und die, zusammen mit meinen eigenen Aufzeichnungen zu diesen Gesprächen, nach Akteneinsichtsrecht auch der Verteidigung zugänglich gemacht werden mussten.
    Je öfter ein Zeuge seine Geschichte erzählt, desto schneller wird es passieren, dass er sich ab und zu widerspricht, was die Gegenseite dann gern nutzt, um seine Glaubwürdigkeit infrage zu stellen. Während daher manche Anwälte oder Staatsanwälte bemüht sind, Gespräche und Aussagen vor dem Prozess auf ein Minimum zu reduzieren, gehe ich anders vor. Wenn ein Zeuge lügt, dann will ich das nicht erst vor Gericht erfahren. In den über 50 Stunden, die ich mit der Befragung von Linda Kasabian verbrachte, stellte ich zwar fest, dass sie sich – wie jeder Zeuge – in dem einen oder anderen Detail nicht sicher war oder etwas durcheinanderbrachte, doch kein einziges Mal ertappte ich sie bei einer Lüge. Außerdem gab sie es offen zu, wenn sie etwas nicht mehr sicher wusste.
    Abgesehen davon, dass sie viele zusätzliche Einzelheiten lieferte, deckte sich Linda Kasabians Geschichte über die Ereignisse der beiden Nächte im Wesentlichen mit der Version von Susan Atkins. Es gab nur wenige Überraschungen, die

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