Helter Skelter - Der Mordrausch des Charles Manson
verhalten würde, dann würden die Geschworenen ihn gewiss durchschauen.
Aber würde Manson als Zeuge aussagen? Wir waren alle der einhelligen Meinung, dass er es tun würde, um sein gewaltiges Ego zu befriedigen und um die Gelegenheit zu nutzen, vor der Weltpresse seine Philosophie auszubreiten. Doch obwohl ich natürlich bereits viele Stunden auf die Vorbereitung des Kreuzverhörs verwendet hatte, wusste letztlich niemand außer Manson selbst, wie er sich entscheiden würde.
Kurz vor Ende der Pause sagte ich: »Hat mich gefreut, mich mit Ihnen zu unterhalten, Charlie, es wäre allerdings viel interessanter, wenn wir das Gespräch im Zeugenstand fortsetzen könnten – ich habe so viele Fragen an Sie und bin neugierig auf Ihre Antworten.«
»Zum Beispiel?«
»Zum Beispiel«, erwiderte ich, »wo in aller Welt – auf Terminal Island, in Haight-Ashbury oder auf der Spahn Ranch – Sie auf die verrückte Idee gekommen sind, dass andere Menschen nicht gerne leben.«
Er antwortete nicht, doch dann schmunzelte er. Es war eine Kampfansage, und das wusste er. Ob er sie annehmen würde, würde sich erweisen.
Während Manson vor Gericht schwieg, zog er hinter den Kulissen die Strippen.
Am 24. Juni unterbrach Patricia Krenwinkel Fitzgeralds Geschworenenbefragung mit dem Ersuchen, ihn als ihren Anwalt abzulösen. »Ich habe mit ihm darüber gesprochen, wie er das hier handhaben soll, und er hält sich nicht daran«, erklärte sie dem Gericht. »Er soll meine Stimme sein, doch das ist er nicht …« Older wies ihren Antrag ab.
Später hatten die Verteidiger eine Unterredung mit ihren Mandanten. Fitzgerald, der seine Stelle als Pflichtverteidiger aufgegeben hatte, um Krenwinkel zu vertreten, hatte Tränen in den Augen, als er wiederkam. Ich fand das furchtbar, legte ihm den Arm um die Schultern und sagte: »Paul, nehmen Sie sich das nicht so zu Herzen. Wahrscheinlich behält sie Sie doch. Und wenn nicht, was soll’s? Das ist nur eine Mörderbande.«
»Das sind Barbaren, ein undankbares Pack«, schnaubte Fitzgerald bitter. »Die kennen keine Loyalität außer gegenüber Manson.«
Auch wenn Fitzgerald mir nicht erzählte, was während der Sitzung vorgefallen war, so war es nicht schwer zu erraten. Direkt oder durch die Mädchen hatte Manson die Anwälte wissen lassen: Entweder ihr macht es so, wie ich es will, oder ihr seid den Fall los. Fitzgerald und Reiner berichteten dem Reporter der Los Angeles Times, John Kendall, dass alle Verteidiger angehalten worden waren, zu »verstummen« und den Geschworenenanwärtern keine Fragen zu stellen.
Als Reiner sich am nächsten Tag dieser Weisung widersetzte und mit seiner Befragung fortfuhr, versuchte Leslie Van Houten, ihn zu entlassen, indem sie fast wortwörtlich wiederholte, was bereits Krenwinkel vorgebracht hatte. Auch ihren Antrag wies Older ab.
Was Reiner durchmachte, war einigen seiner Fragen zu entnehmen. Zum Beispiel fragte er einen Geschworenenanwärter: »Könnten Sie Leslie Van Houten selbst dann freisprechen, wenn es so aussieht, als würde sie mit den anderen Angeklagten siegen oder untergehen wollen, die Beweise gegen sie aber unzureichend sind?«
Am 14. Juli einigten sich Anklage und Verteidigung auf zwölf Geschworene, die daraufhin vereidigt wurden. Es waren sieben Männer und fünf Frauen im Alter von 25 bis 73 Jahren, deren Berufe vom Elektronikfachmann bis zum Bestatter reichten. 73
Es war eine sehr gemischte Gruppe, und keine Seite hatte genau das bekommen, was sie wollte.
Die Verteidigung protestiert normalerweise gegen jeden, der mit dem Gesetzesvollzug zu tun hat. Doch Alva Dawson, der älteste Geschworene, hatte 16 Jahre im Sheriffbüro als Deputy gearbeitet, Walter Vitzelio war 20 Jahre lang Wachmann in einem Betrieb gewesen, und sein Bruder war Hilfssheriff.
Andererseits hatten Herman Tubick, der Bestatter, und Mrs. Jean Roseland, eine Sekretärin bei der TWA, jeweils zwei Töchter ungefähr im selben Alter wie die drei weiblichen Angeklagten.
Als ich bei der Vereidigung die Gesichter der Laienrichter genauer studierte, schien es so, als freuten sich die meisten, dass sie an einem der berühmtesten Prozesse aller Zeiten aktiv teilhaben sollten.
Older brachte sie jedoch schnell auf den Boden der Tatsachen zurück. Er forderte sie auf, ihre Koffer mit Kleidung und anderen persönlichen Dingen mitzubringen, wenn sie am nächsten Morgen zum Gericht kämen, denn in dem Moment würde ihre Isolierung beginnen.
Nun mussten noch die Ersatzgeschworenen
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