Helter Skelter - Der Mordrausch des Charles Manson
fällen.
Daye Shinn hatte eine Grafik vorbereitet und darauf sämtliche Zeugen aufgelistet, die gegen seine Mandantin Susan Atkins ausgesagt hatten. Er kündigte an, jeden Einzelnen widerlegen zu wollen.
»Die Erste auf dieser Liste ist Linda Kasabian, und ich glaube, Mr. Fitzgerald hat Miss Kasabians Aussage angemessen behandelt.«
Anschließend streifte er das jeweilige Vorstrafenregister von DeCarlo, Howard, Graham und Walker.
Über Danny DeCarlo: »Wie würde Ihnen der als Schwiegersohn gefallen? Wie fänden Sie es, wenn er Ihre Töchter kennenlernen würde?«
Über Virginia Graham: »Wie fänden Sie es, wenn Sie diese Frau an Weihnachten zu sich nach Hause einladen müssten? Sie müssten wohl Ihr Tafelsilber verstecken.
Mr. Bugliosi lacht. Wenigstens habe ich ihn nicht zu Tode gelangweilt.«
Shinns gesamtes Plädoyer füllte gerade einmal 38 Seiten im Protokoll.
Irving Kanarek, der nach Shinn an der Reihe war, kam auf 1182 Seiten.
Größtenteils ignorierte Kanarek mein Plädoyer gegen Manson. Er hielt es mit der Devise, Angriff ist die beste Verteidigung, und ritt die ganze Zeit auf zwei Namen herum – Tex und Linda. Mit wem hatte Linda Kasabian auf der Spahn Ranch als Erstem geschlafen? Für wen hatte sie 5000 Dollar gestohlen? Wen hatte sie zum Tate-Anwesen begleitet? Charles »Tex« Watson. Die logischste Erklärung für diese Morde, so Kanarek, war die einfachste, »die Liebe eines Mädchens zu einem Jungen«.
Seinen Mandanten beschrieb Kanarek als einen friedfertigen Mann, dessen einziger Fehler, wenn er denn überhaupt einen hatte, darin bestehe, Liebe zu predigen und zu praktizieren. »Diejenigen, die all diese Anklagen gegen ihn erhoben haben, die wollen Charles Manson aus einem niederträchtigen Grund fertigmachen, und dieser Grund ist wohl in Mansons Lebensstil zu sehen.«
Auch wenn mir viele von seinen Argumenten zu albern erschienen, um sie überhaupt zu kommentieren, machte ich mir während Kanareks Plädoyer zahlreiche Notizen. Denn zumindest säte er hier und da gewisse Zweifel, die sich ohne eine entsprechende Erwiderung zu größeren Zweifeln auswachsen könnten, wenn die Geschworenen ihre Beratung aufnahmen.
Wenn der Sinn darin bestanden hatte, einen Krieg zwischen Schwarzen und Weißen anzuzetteln, wieso war dann nach zwei Nächten Schluss? Wieso gab es keine dritte, keine vierte Nacht … Wieso hatte die Staatsanwaltschaft nicht Nader und den Polizisten am Strand aufgerufen und den Mann, dem Linda angeblich das Leben gerettet hatte? … War es glaubwürdig, dass Mr. Manson mithilfe einer Brieftasche, die in einem Klosettspülkasten gefunden worden war, einen Rassenkrieg entfachen wollte? … Wenn Tex Parents Wagen die Einfahrt hochgeschoben hatte, wieso wurden dann keine Fingerabdrücke von ihm an der Karosserie gefunden?
Mehrmals bezeichnete Kanarek den Prozess als einen »Zirkus«, eine Bezeichnung, auf die Richter Older nachdrücklich reagierte. Ebenso reagierte er – diesmal ohne mein Dazutun – auf Kanareks Unterstellung, die Anklage habe Beweise unterdrückt. »Es gibt in diesem Verfahren nicht die geringsten Anzeichen dafür, dass irgendjemand irgendetwas unterdrückt hat«, sagte Older.
Am Ende von Kanareks zweitem Plädoyertag machte Older ihn darauf aufmerksam, dass er die Geschworenen ermüde. »Ich werde Ihnen sicher nicht erklären, wie Sie ein Plädoyer zu halten haben«, meinte Older an der Richterbank, »aber ich gebe zu bedenken, dass Sie Ihrem Klienten nicht gerade den größten Dienst erweisen, wenn Sie das Ganze über Gebühr in die Länge ziehen …«
Er machte einen dritten Tag weiter, einen vierten Tag ...
Am fünften Tag schickten die Geschworenen dem Gerichtsdiener einen Zettel mit der Bitte: »Koffeinpillen für uns und Schlaftabletten für Mr. Kanarek«.
Am sechsten Tag warnte Older Kanarek: »Sie missbrauchen Ihr Recht auf ein Plädoyer in derselben Weise, wie Sie praktisch jedes andere Recht in diesem Verfahren missbraucht haben … Es gibt einen Punkt, Mr. Kanarek, an dem ein Plädoyer zur reinen Verzögerungstaktik wird … Ihres hat diesen Punkt erreicht.«
Kanarek machte noch einen vollen Tag so weiter, bevor er endlich mit den Worten zum Ende kam: »Charles Manson hat sich keines Verbrechens schuldig gemacht.«
Wiederholt hatte Manson Kanareks Vortrag mit Bemerkungen aus der Zelle unterbrochen. Einmal rief er – laut genug für die Geschworenen: »Wieso setzen Sie sich nicht einfach auf Ihren Platz? Sie machen alles nur noch
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