Helter Skelter - Der Mordrausch des Charles Manson
machte mir einen Strich durch die Rechnung.
Was die Geschworenen davon hielten, über Weihnachten isoliert zu sein, verdeutlichte einer von ihnen, der die Speisekarte des Hotels aufhängte und quer darüber schrieb: »Bah, Humbug!« Zwar durften die Geschworenen Besuch von ihren Familien empfangen, und im »Ambassador« waren besondere Festlichkeiten vorbereitet worden, doch für die meisten war es eine trostlose Zeit. Keiner von ihnen hatte geahnt, dass sie so lange von zu Hause weg sein würden, und viele machten sich Sorgen, ob sie nach Prozessende noch ihren Arbeitsplatz hätten. Niemand von ihnen wagte zudem – ebenso wenig wie der Richter – eine Prognose, wann der Prozess endlich enden würde.
An Wochenenden unternahmen sowohl die Geschworenen als auch ihre Ersatzleute – stets begleitet von zwei männlichen und zwei weiblichen Ordnungshütern – Ausflüge nach Disneyland, in die Filmateliers, in den Zoo von San Diego und dergleichen, sodass viele von ihnen in dieser Zeit vielleicht mehr von Südkalifornien zu sehen bekamen als bisher. Sie speisten in Restaurants in ganz Los Angeles, gingen zum Bowlen, zum Schwimmen, ja selbst in Nachtclubs, doch für ihre endlose Geduldsprobe konnte sie das nur teilweise entschädigen.
Um sie bei Laune zu halten, ließen sich die Gerichtsdiener einiges einfallen. Obwohl wahrscheinlich kein anderer Prozess in der Geschichte so umfangreich in den Medien behandelt wurde, gab es immer wieder Tage, an denen sich das Geschehen größtenteils im Richterzimmer abspielte und die Reporter wenig zu berichten hatten. An solchen Tagen schnitt der Gerichtsdiener Bill Murray oft große Löcher in die Zeitungen, nur um bei den Geschworenen den Eindruck zu erwecken, dass sie nach wie vor Schlagzeilen machten.
Doch die Belastung forderte ihren Tribut. Einige der Geschworenen waren schon etwas älter und vermissten lieb gewordene Gewohnheiten. Es war unvermeidlich, dass hier und da Streit ausbrach und sich Grüppchen bildeten. Ein temperamentvoller Laienrichter verpasste der Gerichtsdienerin Ann Orr eines Abends eine Ohrfeige, als sie gegen seinen Wunsch am gemeinsamen Fernseher den Sender wechselte. Oft blieben Murray und Orr bis vier oder fünf Uhr morgens auf, um sich die Beschwerden der Geschworenen anzuhören. Als wir uns dem Ende des Schuldfindungsabschnitts näherten, machte ich mir allmählich große Sorgen wegen der persönlichen Differenzen zwischen den Geschworenen, die sie möglicherweise in Bälde in ihre Beratungen hineintragen würden.
Schließlich bedarf es nur einer einzigen Person, um zwölf Geschworene zu blockieren.
Ich beendete mein Eröffnungsplädoyer am Montag, dem 28. Dezember, indem ich den Geschworenen erklärte, wie meiner Einschätzung nach die Verteidiger in ihren Plädoyers argumentieren würden, um ihnen von vornherein den Wind aus den Segeln zu nehmen.
»Die Verteidiger werden wahrscheinlich behaupten, es hätte keine Verabredung gegeben … Sie werden Ihnen sagen, das Motiv des Helter Skelter sei absurd, sei lächerlich, sei unglaubwürdig … Sie werden sagen, Mansons Interpretation der Beatles-Songs sei normal … Sie werden Ihnen weismachen wollen, dass Linda wegen ihres LSD-Konsums nicht zurechnungsfähig ist und sie sich die Geschichte nur ausgedacht hat, um straffrei auszugehen, und dass Lindas Aussage als Tatbeteiligte nicht durch unabhängige Beweise untermauert worden ist … Wahrscheinlich werden sie behaupten, dass eine Verteidigung sich erübrigt habe, weil die Staatsanwaltschaft für ihre Anklagen den Beweis schuldig geblieben sei … Sie werden Ihnen erzählen, Charles Manson sei kein Mörder, denn er könne keiner Fliege etwas zuleide tun.
Die Rechtsbeistände werden Ihnen auch weismachen wollen, dass Charlie nicht der Anführer der Family ist und er diese Morde nie befohlen hat … sie werden Ihnen sagen, dies sei ein Indizienprozess – als seien Indizien etwas Schlechtes –, und die unmittelbare Beweiskraft von Lindas Zeugenaussage ignorieren.
In den 18.000 Seiten Protokoll gibt es sicherlich zwischen den Aussagen mehrerer Zeugen hier und da geringfügige Abweichungen, was selbstverständlich ist, doch sie werden behaupten, dass die Zeugen der Anklage Lügner sind.«
Schließlich bat ich die Geschworenen, als intelligente Männer und Frauen die Beweise in diesem Verfahren gewissenhaft, mit gesundem Menschenverstand und Unterscheidungskraft zu prüfen, um so zu einem fairen und gerechten Urteil zu gelangen.
»So wie es die
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