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Hemmersmoor

Hemmersmoor

Titel: Hemmersmoor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Kiesbye
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wissen. »Die sieht aus, als ob sie in Stacheldraht gefallen ist«, sagte Holger. Anke schimpfte mit ihm. »Du bist scheußlich«, sagte sie und ließ sich doch von ihm küssen.
    Auch Alex Frick fehlte. Er hatte das Dorf im vorigen Winter verlassen müssen und war in eine Anstalt eingewiesen worden, und nur Christian, Holger, Bernhard und ich führten die Mädchen in den Wald hinaus. Das Spiel verlangte, dass wir Jungen in der Mehrzahl waren, aber keiner wollte den Müller spielen, weil der sich nicht an den Vergewaltigungen beteiligen konnte. Er konnte nur zusehen und darauf hoffen, beim nächsten Mal mitmachen zu können.
    Wir waren noch immer im Stimmbruch, als wir Karin, Waltraud und Anke vergewaltigten. Sie kicherten, wenn sie unsere Schwänze sahen. Wir hieben auf ihre Hintern ein und peitschten sie mit Weidenzweigen, und wenn wir Glück hatten, durften wir mit ihren Brüsten spielen, während wir uns einen runterholten.
    »Wie tötet man eine Hexe?«, rief Christian mit lauter Stimme.
    »Du knüppelst auf sie ein«, schrie Bernhard zur Antwort. Er war in Anke verliebt und trug seine Liebe auf ihrem blassen Rücken aus. »Jeder dritte Hieb muss den Boden treffen, sonst stirbt sie nie.« Anke starb jedes Mal in seinen Händen.
    Manchmal küssten wir einander und verhedderten und verknoteten uns, und wir Jungen kamen in unsere Hosen, während die Mädchen nach Luft rangen. Oder die Mädchen folterten uns, zwickten uns in die Eier, schlugen uns mit Stöcken, drückten Zigaretten auf unseren Ärschen aus und fesselten uns an Bäume und zeigten uns dann, was wir nicht anfassen durften.
    Eines Tages im Juli lagen Holger, Christian und ich in den Armen der Mädchen, nachdem wir den Lohn unserer Soldatenarbeit genossen hatten. Ihr weiches Haar kitzelte uns an den Lippen und Wangen und Ohren, und ihre warme Haut machte uns erneut kampflustig, als wir plötzlich bemerkten, dass unser Müller, Bernhard, verschwunden war.
    Es war vonnöten, dass der Müller dem Treiben zusah, und diese Regel war noch nie zuvor gebrochen worden. Es war schön, mit den Mädchen zu spielen, über sie herzufallen oder von ihnen bestraft zu werden, aber noch besser war es, beim Spiel beobachtet zu werden. Es tat einem jeden Müller weh, untätig herumzustehen, aber wann immer uns das Los traf, erduldeten wir die Qual, um beim nächsten Mal die neidischen Blicke eines anderen Jungen auf uns zu spüren.
    Deshalb gerieten wir in Wut, als wir entdeckten, dass Bernhard seinen Posten verlassen hatte. Wir zogen uns die Hosen hoch und stolperten aus dem Wald hervor. Er konnte nicht weit sein. Wir schrien nach ihm, wir drohten, ihm jeden einzelnen Knochen in seinem Körper zu brechen. Er kam nicht wieder. Wir liefen nach Hemmersmoor zurück, aber konnten Bernhard weder zu Hause noch sonst irgendwo im Dorf finden, um ihm eine Tracht Prügel zu verabreichen. Bernhard kehrte nicht heim, nicht in jener Nacht, noch am nächsten Tag, und am Ende des Sommers hatten seine Eltern jede Hoffnung aufgegeben. Das Moor war trügerisch und hatte viele das Leben gekostet, und nachdem die Suchmannschaften auch nicht die geringste Spur von ihm zu finden vermocht hatten, erwähnten Bernhards Eltern seinen Namen nicht mehr.
    Christian, Holger und ich setzten unsere Suche jedoch fort. Wir waren unseren Vätern über das Torfmoor gefolgt, wir hatten jeden Meter der Gegend durchkämmt, aber niemand hatte sich die Mühe gemacht, die Droste Mühle zu durchsuchen. Wir hatten unser Geheimnis für uns behalten. Wir versuchten oft, uns Einlass zu verschaffen, suchten nach einem zerbrochenen Fenster, nach einer unverschlossenen Tür, doch alle Fensterläden waren verriegelt, und die Türen wollten nicht einen Zentimeter nachgeben. Jedes Mal fanden wir frisches Mehl auf dem Boden, und jedes Mal warteten wir in der Hoffnung, dass Bernhard erscheinen würde. Wir stellten uns vor, wie er aus dem Wald auf uns zustolpern würde, dass er endlich aus einem märchenhaften Schlaf erwacht wäre, um zu uns zurückzukommen. Nach Einbruch der Dunkelheit kehrten wir heim. Wir hatten unser Gewissen weiter abgeschliffen. Wir hatten es versucht.
    Als die Tage kürzer und dunkler wurden, verloren Christian und Holger das Interesse an der Mühle. Bernhard, so sagte Holger, hatte Hemmersmoor heimlich verlassen. »Vielleicht haben ihn Schausteller und Zigeuner aufgegabelt«, gab er zu bedenken. »Oder Zirkusleute. Vielleicht ist er nach Bremen getürmt und bettelt dort um Geld. Er konnte Flöte

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