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Hendrikje, Voruebergehend Erschossen

Hendrikje, Voruebergehend Erschossen

Titel: Hendrikje, Voruebergehend Erschossen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Purschke
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hätte ja sein können. Und: von innen gestreichelt, was soll das denn heißen? Ich konnte mich jedenfalls nicht erinnern, dass Ernst mich auch nur ein einziges Mal gestreichelt hätte, und schon gar nicht
von innen
, also ich fand das geradezu frech. Richtig frech!«
»Sie fühlten sich von Ernst verhöhnt?«, fragt die Palmenberg maliziös.
    »Allerdings. Ja, genau das: verhöhnt. Ich stand wohl einige Zeit lang im Flur rum und wusste überhaupt nicht, wohin mit meiner Wut, und plötzlich dachte ich: Ich hab noch ein paar Tage zu leben, noch ist Polen nicht verloren, und ich werde mit Sicherheit dafür sorgen, dass Ernst nicht der Letzte bleibt, der mich von innen gestreichelt hat, das wollen wir doch erst mal sehen. Ich bin in mein Schlafzimmer, und da habe ich einen großen alten Schrank, und ich wusste, dass irgendwo da drin von ganz früher ein weinrotes Minikleid aus Pannesamt sein musste. Ich hab die ganzen alten Monopoly-und Mensch-Ärgere-Dich-Nicht-Spiele rausgeschmissen aus dem Schrank, ein Kistchen mit Fotos von meiner Mutter und eine Mappe mit Zeugnissen und Impfpässen umgewühlt und schließlich hatte ich es, ich hatte es in einer Plastiktüte aufgehoben. Unter meinem Bett hab ich auch passende Schuhe dazu gefunden, ein paar weiße hochhackige Sandalen, die ich mal für ein Modell gekauft hatte, das ich gemalt habe. Ich hab die Schuhe angezogen und das Kleid, und ich fand, dass ich mit den Sachen und mit der neuen Frisur richtig sexy aussah. Und dann brauchte ich nicht mehr lange zu überlegen, ich dachte nur: so Hendrikje, jetzt aber rauf auf die Piste und ’nen Kerl gefunden! Und so bin ich los. Zack, ab in die
Grüne Palme
, was eine Bar ist, bei mir in der Nähe. Und ich hatte Glück, ein Mordsglück: Ich machte die Tür auf in der
Grünen Palme
, der ganze Tresen saß voller Kerle, die sich alle gleichzeitig zu mir umdrehten. Also, das machen die zwar immer, wenn die Tür aufgeht, aber ich sah in den Gesichtern, dass ich ihnen gefiel in meinem roten Kleid. Nicht so dito. Neun von den zehn waren Milchgesichter, grüne Jungs, und ich dachte, wenn die wegen dem bisschen weinroten Pannesamt gleich in Ohnmacht fallen, dann hab ich gleich keine Lust mehr, aber da, ganz hinten am Tresen, da sah ich einen, der sich nicht umdrehte. Er hatte schwarze Locken, das konnte ich sehen, und auf seinem Oberarm, der aus dem ärmellosen T-Shirt rausguckte, war: das Segelschiff! Und wie ich das Segelschiff erkenne und mein Herz zu hüpfen anfängt, da dreht er sich um: richtig, Dieter! Dieter schaut mich an und grinst, und da bin ich ganz langsam den ganzen langen Tresen lang an den neun Milchgesichtern vorbeigeschlendert zu Dieter. Und der, also als ob er meine Gedanken gelesen hätte, der streckt, als ich dann endlich bei ihm war, einfach den Arm aus, zieht mich an sich und küsst mich.«
»Wow.«
    »Oh ja, das war:
wow.
Und die neun Jungs am Tresen haben gleichzeitig ihre Gläser angehoben, ausgetrunken, abgestellt, der Barfrau hingeschoben und neue Biere bestellt. Und Dieter und ich haben Martinis getrunken.
    Wir sind nicht lange in der
Grünen Palme
geblieben, wir waren plötzlich ziemlich verliebt und wollten allein sein. Dieter ist mit zu mir gekommen und da fielen wir relativ schnell ins Bett und übereinander her.«
    »Hmhmm«, summt die Palmenberg, »und wie war das?«
    »Wie das war?«
    »Ja, war es schön oder eher nicht so schön? Konnten Sie es genießen oder nicht?«
    »Ja, aber … also ich bin doch nicht hier, um Ihnen meine Bettgeschichten zu erzählen.«
    »Nein, natürlich nicht. Aber Sie haben mir bereits geschildert, wie es mit Ernst gewesen ist, und mich würde nun interessieren«, lächelt die Palmenberg süffisant, »ob es mit Dieter und seinem Segelschiff anders war.«
    Dieter und sein Segelschiff
– die Palmenberg nimmt sich ja ganz schön was raus, denkt Hendrikje und erinnert sich an
Gott Hendrikje, Sie haben einen tätowierten Räuber im Bett, behalten Ihren Anorak an und nennen das ›eine Nacht mit Dieter‹?
Sie schaut die Palmenberg kühl an.
»Oh ja, das war anders«, gibt Hendrikje zu und richtet sich etwas auf, »ich kann Ihnen sagen … das war … also … wunderbar.«
    Ein erwartungsvolles »Ahaa …?!« dehnt sich aus der Palmenberg.
    Ahaa
… Sie will es wirklich wissen. Na dann.
    »Der hat ja auch so schön geküsst, der Dieter. Also nicht so eklig mir gleich die Zunge in den Hals gesteckt, als ob zwei Karpfenmäuler sich aneinander festsaugen, nee, so ganz vorsichtig,

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