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Hendrikje, Voruebergehend Erschossen

Hendrikje, Voruebergehend Erschossen

Titel: Hendrikje, Voruebergehend Erschossen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Purschke
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wenn Hendrikje dann tot ist? Dann haben wir eine echte Leiche, und was soll damit geschehen? Wo soll die versteckt werden?‹ Er schaute alle Anwesenden bauernschlau an und erhielt sofort von Lisa die Antwort: ›Holgerchen, du bist es hier, der nicht zu Ende denkt. Warum, glaubst du wohl, rede ich hier seit ’ner Stunde von einem juristisch einwandfreien Abschiedsbrief? In dem klar steht, dass Hendrikje sich aus freien Stücken das Leben nimmt? Weil, wenn wir so ein Dokument haben, wir mit der Entsorgung der Leiche überhaupt nichts zu tun haben, sondern nach geglücktem Exitus einfach zum Telefonhörer greifen und schwer erschüttert die Polizei anrufen!‹
›Naja, aber dann‹, sagte Ernst und schaute Lisa an, ›dann kann man es wirklich überall machen –‹
    Und Lisa schaute Ernst an und schaute auch wieder weg, zog an ihrer Zigarette und blies den Rauch durch die Nase und nickte dann ganz leicht und versonnen vor sich hin.
     
    Hendrikje findet, dass es ein ganz und gar leerer Blick ist, mit dem die Palmenberg nun aufschaut.
Leer
, so wie Ernsts Blick einmal
tonlos
war. Aber die Palmenberg hat noch eine Frage, das kann Hendrikje richtig sehen, wie der dahingegossene, leicht schläfrige Körper der Palmenberg sich strafft, wie ein anderes Licht in ihren Augen leuchtet und wie sie beginnt, sanft den Kopf hin-und herzuwiegen.
    »Das also war Ihr 34. Geburtstag mit der Quersumme 7?«
    »Ja genau.«
    »Am Anfang Ihrer Erzählung sagten Sie, dass Sie gerade am Kochen waren, als Ihre Freunde Sie überraschten.«
    »Ja.«
    »Was gab’s denn?«
    »Ist das wichtig?«
    »Das will ich von Ihnen wissen.«
    Hendrikje könnte jetzt gut kotzen. Da erzählt sie der Palmenberg vom entscheidendsten und folgenschwersten Abend ihres bisherigen Lebens, und die will das Menü wissen.
    »Also das finde ich jetzt echt komisch, das … ehm, das irritiert mich jetzt aber schon. Also Entschuldigung. Ich erzähle Ihnen eine Stunde lang vom bisher entscheidendsten Abend meines bisherigen Lebens, und Sie wollen das Menü wissen …?«
»Sehr gern, ja.«
    Hendrikje schweigt. Also alles, was recht ist. Hendrikje schweigt und sieht auf ihre Schuhspitzen, derbe, etwas zu große Männerschuhe, Typ kanadische Waldbrandaustreter, und dann gibt sie sich einen Ruck und steht ganz behende auf. Und geht zur Tür und dreht sich in der Tür noch einmal um und sagt sehr beleidigt zur Palmenberg:
    »Hühnersuppe.«
    Und die Palmenberg grinst.

7
»Ich hatte richtig gute Laune. Ich war …
heiter
. Geradezu euphorisch, ganz beschwingt und alles ging leicht. Wir hatten verabredet, am kommenden Wochenende in Lisas Landhaus mein Abschiedsfest zu feiern, ich hatte also noch eine Woche zu leben, dachte ich. Und deshalb war alles so einfach. Es hat mir richtig Spaß gemacht, im Café zu arbeiten, die Gäste waren nett, und es hagelte Trinkgeld. Der doofe Bruno saß wie immer stoisch und schweigend am Tresen, aber nicht mal das hat mir die Laune verdorben. Im Gegenteil, ich habe herausgefunden, wie ich mir aus dem doofen Bruno eine Quelle des Spaßes basteln kann. Ich habe ihn andauernd schikaniert, das war schön.«
    »Es war
schön
, Bruno zu schikanieren?«
    »Ja. Also Entschuldigung, ich bin ja keine Heilige. Wenn man einen so ärgerlichen Stammgast hat, der über Jahre sein Maul nicht aufkriegt, na, da muss man sich halt was einfallen lassen, wenn man sich nicht noch ein paar Jahre ärgern will!«
    »Sie hatten aber doch nur noch eine Woche.«
    »Ja. Dachte ich. Also dann erst recht. Ach Gott, was heißt schikanieren, ich habe ihn ein bisschen hochgenommen. Meine Güte. Er saß stumm am Tresen und hielt sich an seinem Espresso fest und sagte kein einziges Wort, nicht
Guten Tag
und nicht
Hallo
und
Wie geht’s
, und da habe ich ihn ganz freundlich gefragt, ob er schon mal im Zoo war. Und Bruno schaut auf, glotzt mich an wie ein Ufo, lächelt plötzlich ein ganz ganz winziges bisschen und freut sich, weil er wohl dachte, ich will ihn in ein Gespräch verwickeln, und er sagt ganz begeistert: ›Ja!‹, und nickt. Und da hab ich ihn gefragt: ›Und? Bist du ausgebrochen, weil man dich schlecht gefüttert hat?‹ Fand er natürlich überhaupt nicht witzig.«
Die Palmenberg lacht.
    »Sie lachen, aber Sie glauben gar nicht, wie mir noch das Lachen vergangen ist mit Bruno.«
    »Hat er sich gerächt?«
    »Keineswegs.«
    »Erzählen Sie!«
    »Ich möchte lieber in der Chronologie bleiben, das kommt dann schon noch.«
    Die Palmenberg seufzt hoheitsvoll und sagt:

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