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Hendrikje, Voruebergehend Erschossen

Hendrikje, Voruebergehend Erschossen

Titel: Hendrikje, Voruebergehend Erschossen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Purschke
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Schnauze. Ich will, dass wir jetzt zusammen runtergehen. Ich nehme das Treppenhaus, und welchen Weg du nimmst, ist mir echt egal.‹
    Es war ihm also egal, ob ich mich von ihm zur Polizei abführen ließ oder einfach runterspringen würde, und das nun machte
mir
Angst. Ich dachte, warum will er andauernd mit mir zur Polizei, er weiß doch, dass
er
dann dran ist. Er möchte doch wahrscheinlich viel lieber, dass ich springe, und ich sagte zu ihm: ›Ernst, du weißt doch genau, dass
du
dran bist, wenn wir zur Polizei gehen.‹
›Das glaub mal nicht‹, sagte Ernst, ›mir kann keiner was beweisen. Und rate mal, für wen Lisa und Sophie aussagen werden? Aber wenn du sagst, dass du dich vergiften wolltest und Holger aus Versehen dein Gift geschluckt hat, dann sind wir alle aus dem Schneider. Und schließlich war’s ja auch so. Du musst nicht mal lügen!‹
    In meinem Kopf drehte sich alles, ich wusste nicht mehr, was ich denken und glauben sollte und was ich überhaupt wollte. Ich schaute Ernst an und dachte, ich könnte in seinem Gesicht lesen, was er eigentlich wollte und ob er mich jetzt verarscht, aber ich sah nur, dass er tierisch genervt war von der ganzen Aktion auf dem Dach. Es war kalt, richtig kalt da oben. Ich sah, dass er fror, und das nervte ihn noch mehr. Er hatte jetzt einen Weg gefunden, sich auf diesem Dachgiebel einen etwas besseren Stand zu verschaffen, indem er eben nicht mehr wie ein Seiltänzer mit beiden Füßen auf dem Kamm des Giebels stand, sondern die Füße direkt neben dem Kamm links und rechts in die Dachschindeln stemmte. So hatte er zwar eine schräge Fläche unter seinen Füßen, aber eben auch eine größere Fläche. So stand er ganz fest und sagte: ›Du darfst natürlich nicht sagen, dass ich das Gift besorgt habe, das wird ja wohl in deinen Schädel reingehen. Ich werde Vater!‹ Und dann streckte er die Hand aus, so, als wollte er sie mir reichen, damit ich mich daran hochziehen und wir zusammen runtergehen könnten.
    ›Du hast dir im Sternipark Metadon besorgt‹, sagte Ernst, ›mehr brauchst du denen nicht erzählen auf der Bullerei.‹ Er streckte mir immer noch seine Hand hin, aber ich hab die nicht genommen, die Hand, irgendwie hab ich ihm nicht mehr getraut. Denn was sollte das jetzt für ein Quatsch mit dem Metadon sein? Damals hatte uns ja der Gerichtsmediziner noch nicht darüber aufgeklärt, dass man an Metadon sterben kann.
Und da hat Ernst seine Hand dann auch wieder weggezogen. Er stand da, als würde er auf was warten, und ich saß da und dachte, nee, ich bewege mich hier erst mal nicht weg, nicht so lange Ernst da ist. Ich werde auf gar keinen Fall runtergehen, nicht auf dem einen Weg und nicht auf dem anderen, und wenn das bis Mitternacht dauert, mir egal. Ich guckte ihn an, und da stöhnte er: ›Mein Gott, Hendrikje, entscheide dich. Ich will hier runter!‹ Und ich hab ihm geantwortet, dass er ja ruhig gehen könnte. Und da hat er gesagt, nee, so billig komme ich ihm nicht davon.
    ›Nee, nee, nee‹, sagte er, ›so billig kommst du mir nicht davon.‹ Er holte tief Luft, wie einer, der schon richtig ungeduldig ist, und sagte: ›Überleg dir doch mal, was dich erwartet. Wenn du in zwanzig Jahren aus dem Zuchthaus kommst, bist du eine alte Frau, die ihre besten Jahre im Gefängnis verbracht hat. Meinst du, es kräht dann noch ein Hahn nach dir? Als Malerin? Als Frau? Also selbst, falls du dir bis dahin abgewöhnt haben solltest, immer diese Terpentinfahne um dich zu haben, so dass man jedesmal high wird, wenn man dich vögelt …‹ Er schüttelte den Kopf und seufzte: ›Hendrikje.‹ Seine Stimme klang jetzt schon wieder fast liebenswürdig, so, wie man jemanden tröstet, der sich jede Woche einmal in den Finger schneidet und der sich gerade eben schon wieder in den Finger geschnitten hätte, und genau so schüttelte er jetzt den Kopf und seufzte noch mal: ›Hendrikje, Hendrikje …‹
    Und dann lächelte er mich ganz mitleidig an und seufzte: ›Der Name, mit dem man nicht Liebe machen kann …‹«
»Wie bitte?«, fragte die Palmenberg.
    »Der Name, mit dem man nicht Liebe machen kann.«
    »Was soll das denn heißen?«
    »Wenn Ernst so was sagt, dann heißt das, dass man ›Hendrikje‹ nicht gut stöhnen kann. Also wenn jetzt einer mit mir schlafen würde und Lust kriegte, meinen Namen zu stöhnen, dann wäre das eher ein Zungenbrecher.
Hen
– dann dieses
d
– und dann auch noch
riiekche
– also, das lässt sich nicht gut stöhnen.«
    »Aha. Und

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