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Hendrikje, Voruebergehend Erschossen

Hendrikje, Voruebergehend Erschossen

Titel: Hendrikje, Voruebergehend Erschossen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Purschke
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welcher Name würde sich beispielsweise besser stöhnen lassen?«, fragt die Palmenberg teilnahmslos.
    »Na,
Sophie
zum Beispiel, oder
Maria!
oder
Kate
«, stöhnt Hendrikje zur Demonstration. »Aber wer Hannelore heißt oder Lieselotte oder eben Hendrikje, der lädt zum Schweigen ein.«
    »Aha.«
    »Na ja. Jedenfalls hatte ich jetzt irgendwie genug von dieser Party auf dem Dach. Ernst stand da und schüttelte den Kopf und dehnte meinen Namen unnötig in die Länge und behauptete, man könnte damit nicht Liebe machen, und ich stützte mich mit den Händen fest am Dach ab, um ein bisschen mit dem Hintern zu ihm hinzurutschen. Ich weiß, dass mir sehr kalt war und ich sehr sauer war, und ich rutschte also auf dem Hintern ein paar Zentimeterchen näher an ihn ran und dann hab ich einfach beherzt beide Arme ausgestreckt und mit beiden Händen gegen seine Knie gedrückt, um ihn weiter weg von mir zu schieben, das war meine Absicht, aber Ernst verlor sofort das Gleichgewicht, fiel um und fiel …«
    »Fiel …?«
    »Fiel vom Dach, ja.«

11
Die Palmenberg liegt wie üblich entspannt auf ihrer Fernsehliege, ganz das hingegossene Gemälde aristokratischer Schönheit. Und Hendrikje kommt durch die Stahltür hinein und sieht heute echt frisch aus, jemand hat ihre herausgewachsene Kurzhaarfrisur irgendwie ganz raffiniert in Form gebracht. Gelöst setzt sie sich hin und schaut die Palmenberg lächelnd an. Die lächelt zurück.
    »Sie sehen heute sehr frisch und gelöst aus, Hendrikje, es freut mich, Sie in so guter Verfassung zu sehen.«
    »Oh, danke«, antwortet Hendrikje, »ich fühle mich auch frisch und gelöst.«
    »Sie haben Ihre Haare sehr hübsch.«
    Hendrikje lacht. »Ja, die sind neu, die Haare, das hat Gudrun gemacht.«
    »Wer ist Gudrun?«
    »Mit der bin ich auf Stube. Die ist Friseuse. Spitzen geschnitten«, nickt Hendrikje verlegen.
    »Sehr hübsch. Wo waren wir?«
    »Ich hatte gerade Ernst vom Dach geschubst.«
    »Oh ja.«
    »Tja, also, weil Sie mal danach gefragt haben, also hier, also jetzt, also hier und jetzt war das Kapitel Ernst dann beendet«, sagt Hendrikje ernst.
    »Das stand zu befürchten«, lächelt die Palmenberg.
    »Ja. Er lag unten im Hof, ich konnte ihn sehen. Er war tot, das konnte ich von da oben zwar nicht zweifelsfrei erkennen, aber ich hatte das Geräusch gehört, das er gemacht hatte, als er unten aufdotzte, und das hatte mir gereicht. Lisa und Sophie hatten das Geräusch wohl auch gehört, oder sie hatten durch die Fenster gesehen, wie er an ihnen vorbeiflog, weiß ich nicht, jedenfalls kamen die sofort aus dem Haus in den Hof gerannt, liefen hin zu ihm und knieten bei ihm. Sie merkten auch, dass es vorbei war mit Ernst und schauten hoch, und oben auf dem Dach saß ich.
Jetzt, nachdem ich nun ganz sicher jemand getötet hatte und nicht nur vielleicht, wollte ich wirklich sterben. Ich war zur Mörderin geworden, ganz unzweifelsfrei. Hier lag kein Unfall vor, sondern ich hatte Ernst vom Dach geschubst.«
    »Moment, Sie haben gesagt, Ihre Absicht sei gewesen, Ernst wegzuschieben, von sich wegzuschieben. Er versperrte Ihnen ja den Weg zurück zum Dachfenster.«
    »Ja, in diesem winzigkleinen Augenblick des Drückens, da dachte ich nur:
weg da
!, aber ich wusste ja schließlich, dass er und ich auf einem hohen Giebeldach standen, beziehungsweise saßen. Die Wahrheit ist, dass ich einfach nicht nachgedacht habe in dem Augenblick. Ich wollte Ernst da weg haben, weiter nichts, ich hatte … Also ich hatte keine Tötungsabsicht, aber ich wollte ihn da weg haben, und wenn im hintersten Winkel meines Gehirns noch ein kleines Fünkchen Bewusstsein war, dass wir uns auf einem Dach befanden, dann war’s mir egal in diesem Moment. Egal. Einfach egal.«
    »Hmhmm.«
    »Wie gesagt, ich wollte jetzt, wo Ernst im Hof lag, wirklich sterben. Ich hatte das Gefühl, mein Schädel platzt und mein Herz auch. Wie sollte ich leben, wo ich wusste, ich habe das zu verantworten? Das geht gar nicht, so kann man nicht leben. Ich wollte springen. Ich dachte nur:
hinterher, dann ist der Spuk vorbei
.
Ich wusste, dass ich dazu aufstehen musste, denn ich saß ja gut und sicher auf dem Dach, aber als ich versuchte aufzustehen, da merkte ich, dass meine Knochen steif gefroren waren, dass es plötzlich gar nicht so einfach war aufzustehen. Ich hab versucht, auf alle viere zu kommen, ich hab die Hände aufgestützt und versucht, die Beine auf den First zu kriegen, aber ich zitterte so sehr, dass ich es nicht schaffte. Ich konnte

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