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Hendrikje, vorübergehend erschossen

Titel: Hendrikje, vorübergehend erschossen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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da. Sie hat mich nicht gesehen, und ich hab mich dann auch gleich wieder weggeschlichen. Also, sie … Wissen Sie,
     das Loft hatte noch keine richtige Tür, die musste erst noch eingebaut werden, es gab nur so eine provisorische Holzlattentür,
     und durch die Ritzen konnte ich sehen, wie sie und Dieter, also, wie sie …« »Wie Lisa und Dieter sich liebten.«
    »Ja, nein, es war nicht so eindeutig. Lisa versuchte, Dieter zu verführen, und ich fand das … Also Lisa hatte sich in ein
     schwarzes Lederkostüm gezwängt, so was hatte ich an ihr noch nie gesehen, sie sah fast aus wie eine Domina, mit hohen Stiefeln
     und so, und so stand sie vor Dieter, der an der Wand lehnte, und sie streichelte ihn und redete auf ihn ein, ob er seine Freiheit
     nicht ein bisschen genießen wolle und
ihre
Freiheit nicht ein bisschen versüßen, und ich hörte, wie Dieter sagte: ›Ey, du bist jetzt meine Chefin‹, und Lisa raunte:
     ›Genau, du brauchst dich also gar nicht so anzustellen‹ und ›Er ist doch nicht aus Seife‹, und dann machte sie sich an Dieters
     Jeans zu schaffen, und ich hab gemacht, dass ich wegkam. Auf Zehenspitzen bin ich runter durchs Treppenhaus und wieder nach
     Hause.«
    »Waren Sie enttäuscht, dass Dieter den Avancen Ihrer Freundin offenbar nachgegeben hat?«
    |41| »Ja! Ich meine, Dieter ist so hübsch und Lisa so hässlich.«
    »Hässlich? Sie nennen Ihre Freundin hässlich?«
    »Ja, hässlich. Also ich fand diese ganze Szene so eklig. Lisa, wie sie da in so einem professionellen Reeperbahn-Outfit Dieter
     anmachte und dabei diese Stimme hatte, so eine Stimme hat sie ja sonst nicht.« Und Hendrikje macht die raunende Lisa nach:
»Er ist ja nicht aus Seife.«
Wahrscheinlich hat sie Dieter deswegen aus dem Knast geholt, trotz seiner 127 Einbrüche, weil sie scharf auf ihn war.«
    »Und Sie konnten nicht einfach über die libidinösen Bemühungen Ihrer Freundin schmunzeln?«
    »Vielleicht können Sie sich vorstellen, dass ich an diesem Tag über relativ wenig Dinge auf der Welt habe schmunzeln können«,
     sagt Hendrikje scharf. »Ich bin stattdessen mit dem Fahrrad heimgefahren, und unterwegs fing es zu regnen an, und ich dachte:
     Au ja, ich werde mich zu Hause in die Badewanne legen und mich selber libidinös bemühen. Ich werde mir ein Schaumbad einlaufen
     lassen mit mehr Schaum, als es die Omi je erlaubt hätte und mich selber nach Strich und Faden lieben.«
    »Und?«
    »Das klappte irgendwie überhaupt nicht. Ich kriegte keinen hoch, wenn Sie so wollen. Ich habe es nicht einmal bis in die Badewanne
     geschafft. Ich habe durchgeregnet wie ich war auf dem Sofa gesessen und mir von Herzen gewünscht, es käme ein Einbrecher,
     der mich einfach erschießt. Und auch dieser Wunsch blieb natürlich unerfüllt. Ich bin ins Bett gegangen und habe mir vorgestellt,
     wie ich zu Rothwein in die Galerie gehen würde, um ihm zu erklären, dass es keine Ausstellung geben könnte, jedenfalls nicht
     im März, und dass ich diesen Unfall im Café niemandem erzählen könnte, weil alle mich auslachen würden, allen voran meine
     Chefin, die meine Malerei ja sowieso nicht ernst |42| nimmt und höchstens meckert, dass ich nach Terpentin rieche und damit die Gäste verjage. Ich lag im Bett und konnte nicht
     schlafen und dachte: Jetzt werde ich verrückt. Ich bin den ganzen zweiten Weihnachtstag im Bett geblieben, als es am Abend
     klingelte. Und obwohl ich wusste, dass Ernst noch im Skiurlaub war und noch nicht zurück sein konnte, war ich plötzlich glücklich
     weil ich dachte: Das
muss
er einfach sein, er hat sich ein Bein gebrochen und ist früher zurück, oh, Gott sei Dank, er ist zurück, und ich bin zur Tür
     gerannt und hab der Polizei aufgemacht.
    Es waren zwei Zivilbeamte und die überbrachten mir eine Anzeige wegen Brandstiftung, denn die Feuerwehr hatte den Brandherd
     in meiner Atelierparzelle ausgemacht. Ich hab gefragt, ob bei dem Brand Menschen zu Schaden gekommen wären, und als die »Nein«
     sagten, war ich eine Sekunde lang wahnsinnig erleichtert, für eine Sekunde fielen mir ganze Gebirge vom Herzen, nur damit
     ich gleich darauf vor Wut hätte aus der Haut fahren können. Jetzt erst konnte ich mich so richtig dem Verlust meiner Bilder
     in vollen Zügen widmen, ganz ungebremst und ausschließlich.
    Ich musste mit auf die Wache und da habe ich der Polizei den ganzen Vorgang geschildert und auch, dass meine Bilder nicht
     versichert waren, ich hätte also wirklich keinen Grund gehabt, drei

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