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Hendrikje, vorübergehend erschossen

Titel: Hendrikje, vorübergehend erschossen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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brach an einer Stelle aus dem Stein, und so demonstrierte
     er den Handwerkern, |80| wie rostig und morsch und lebensgefährlich das Ding war, denn er wurde ja Vater. Dann ging er ins Bad, in der Badewanne stand
     noch mein Badewasser und das Badewasser war auch noch warm, und Ernst ließ den Stöpsel raus, damit die Arbeiter hören konnten,
     wie der Ausguss schnorchelt, denn er hatte bei uns natürlich schon geduscht und wusste das.
    Naja, das Badewasser lief ab und der Ausguss schnorchelte und die Handwerker machten lange Gesichter und sagten: ›Das wird
     teuer.‹ Das war Ernst egal, er sagte, egal was es kostet, Hauptsache, er kann später in Ruhe baden. Die Arbeiter gingen, und
     Ernst blieb noch einen kleinen Augenblick bei mir. Er wollte mir noch was unter vier Augen sagen. Und er nahm meine beiden
     Hände in seine beiden Hände, schaute mir fest in die Augen und sagte: ›Siehste, Hendrikje, da bin ich ganz unvermutet zu deinem
     letzten Mann geworden, zu deinem letzten Geliebten. Du musst nicht denken, dass mir das nichts bedeutet … Der Letzte, der
     dich von innen gestreichelt hat … Ich behalte das in meiner Erinnerung.‹
    Ich war ehrlich gesagt ziemlich verblüfft von dieser Gefühlsaufwallung, und deswegen konnte ich gar nichts sagen. Er drückte
     meine Hände, ließ sie los und ging, und ich stand im Flur neben den italienischen Kacheln wie vom Donner gerührt. Ernst wollte
     wahrscheinlich etwas Nettes damit gesagt haben, aber ich merkte dann, dass ich doch sehr empört war. Das war doch eigentlich
     eine Unverschämtheit: der Letzte, der mich von innen gestreichelt hat! Woher wollte er das eigentlich wissen? Vielleicht hatte
     ich inzwischen ja schon mit drei anderen … Also nicht, dass ich hätte, aber es hätte ja sein können. Und: von innen gestreichelt,
     was soll das denn heißen? Ich konnte mich jedenfalls nicht erinnern, dass Ernst mich auch nur ein einziges Mal gestreichelt
     hätte, |81| und schon gar nicht
von innen
, also ich fand das geradezu frech. Richtig frech!«
    »Sie fühlten sich von Ernst verhöhnt?«, fragt die Palmenberg maliziös.
    »Allerdings. Ja, genau das: verhöhnt. Ich stand wohl einige Zeit lang im Flur rum und wusste überhaupt nicht, wohin mit meiner
     Wut, und plötzlich dachte ich: Ich hab noch ein paar Tage zu leben, noch ist Polen nicht verloren, und ich werde mit Sicherheit
     dafür sorgen, dass Ernst nicht der Letzte bleibt, der mich von innen gestreichelt hat, das wollen wir doch erst mal sehen.
     Ich bin in mein Schlafzimmer, und da habe ich einen großen alten Schrank, und ich wusste, dass irgendwo da drin von ganz früher
     ein weinrotes Minikleid aus Pannesamt sein musste. Ich hab die ganzen alten Monopoly- und Mensch-Ärgere-Dich-Nicht-Spiele
     rausgeschmissen aus dem Schrank, ein Kistchen mit Fotos von meiner Mutter und eine Mappe mit Zeugnissen und Impfpässen umgewühlt
     und schließlich hatte ich es, ich hatte es in einer Plastiktüte aufgehoben. Unter meinem Bett hab ich auch passende Schuhe
     dazu gefunden, ein paar weiße hochhackige Sandalen, die ich mal für ein Modell gekauft hatte, das ich gemalt habe. Ich hab
     die Schuhe angezogen und das Kleid, und ich fand, dass ich mit den Sachen und mit der neuen Frisur richtig sexy aussah. Und
     dann brauchte ich nicht mehr lange zu überlegen, ich dachte nur: so Hendrikje, jetzt aber rauf auf die Piste und ’nen Kerl
     gefunden! Und so bin ich los. Zack, ab in die
Grüne Palme
, was eine Bar ist, bei mir in der Nähe. Und ich hatte Glück, ein Mordsglück: Ich machte die Tür auf in der
Grünen Palme
, der ganze Tresen saß voller Kerle, die sich alle gleichzeitig zu mir umdrehten. Also, das machen die zwar immer, wenn die
     Tür aufgeht, aber ich sah in den Gesichtern, dass ich ihnen gefiel in meinem roten Kleid. Nicht so dito. Neun von den zehn
     waren |82| Milchgesichter, grüne Jungs, und ich dachte, wenn die wegen dem bisschen weinroten Pannesamt gleich in Ohnmacht fallen, dann
     hab ich gleich keine Lust mehr, aber da, ganz hinten am Tresen, da sah ich einen, der sich nicht umdrehte. Er hatte schwarze
     Locken, das konnte ich sehen, und auf seinem Oberarm, der aus dem ärmellosen T-Shirt rausguckte, war: das Segelschiff! Und
     wie ich das Segelschiff erkenne und mein Herz zu hüpfen anfängt, da dreht er sich um: richtig, Dieter! Dieter schaut mich
     an und grinst, und da bin ich ganz langsam den ganzen langen Tresen lang an den neun Milchgesichtern vorbeigeschlendert zu
     Dieter. Und

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