Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Hendrikje, vorübergehend erschossen

Titel: Hendrikje, vorübergehend erschossen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
Vom Netzwerk:
und es hagelte Trinkgeld. Der doofe Bruno saß wie immer
     stoisch und schweigend am Tresen, aber nicht mal das hat mir die Laune verdorben. Im Gegenteil, ich habe herausgefunden, wie
     ich mir aus dem doofen Bruno eine Quelle des Spaßes basteln kann. Ich habe ihn andauernd schikaniert, das war schön.«
    »Es war
schön
, Bruno zu schikanieren?«
    »Ja. Also Entschuldigung, ich bin ja keine Heilige. Wenn man einen so ärgerlichen Stammgast hat, der über Jahre sein Maul
     nicht aufkriegt, na, da muss man sich halt was einfallen lassen, wenn man sich nicht noch ein paar Jahre ärgern will!«
    »Sie hatten aber doch nur noch eine Woche.«
    »Ja. Dachte ich. Also dann erst recht. Ach Gott, was heißt schikanieren, ich habe ihn ein bisschen hochgenommen. Meine Güte.
     Er saß stumm am Tresen und hielt sich an seinem Espresso fest und sagte kein einziges Wort, nicht
Guten
Tag
und nicht
Hallo
und
Wie geht’s
, und da habe ich ihn |78| ganz freundlich gefragt, ob er schon mal im Zoo war. Und Bruno schaut auf, glotzt mich an wie ein Ufo, lächelt plötzlich ein
     ganz ganz winziges bisschen und freut sich, weil er wohl dachte, ich will ihn in ein Gespräch verwickeln, und er sagt ganz
     begeistert: ›Ja!‹, und nickt. Und da hab ich ihn gefragt: ›Und? Bist du ausgebrochen, weil man dich schlecht gefüttert hat?‹
     Fand er natürlich überhaupt nicht witzig.«
    Die Palmenberg lacht.
    »Sie lachen, aber Sie glauben gar nicht, wie mir noch das Lachen vergangen ist mit Bruno.«
    »Hat er sich gerächt?«
    »Keineswegs.«
    »Erzählen Sie!«
    »Ich möchte lieber in der Chronologie bleiben, das kommt dann schon noch.«
    Die Palmenberg seufzt hoheitsvoll und sagt: »Na gut, also bitte, dann bleiben Sie in der Chronologie.«
    »Ich habe also im Café gearbeitet und hatte richtig gute Laune. In einer Woche, so dachte ich, würde ich mein Kreuz getragen
     haben. Das wäre dann Vergangenheit. Also, das hat mich richtig beflügelt. Irgendwann hab ich in den Spiegel geschaut, damals
     hatte ich noch schulterlange Haare, und die hatte ich hochgesteckt, aber plötzlich fand ich, dass das scheiße aussah. Dass
     mich das alt machte, richtig alt. Und ich dachte, Mensch, Wynona Ryder hat kurze Haare und sieht klasse aus, Heike Makatsch
     und Sharon Stone haben kurze Haare und sehen klasse aus, da kann ich doch auch kurze Haare haben. Da bin ich nach der Arbeit
     direkt zum Friseur gegangen und habe mir eine Kurzhaarfrisur verpassen lassen, und siehe da, es sah klasse aus.
    ›Todschick!‹, rief der Friseur, als er fertig war, und er hatte Recht. Das war ein Friseur in der Innenstadt, und wie ich
     rauskomm’, da laufen Lisa und Sophie an mir vorbei, die |79| haben mich erst gar nicht erkannt. Ich hab sie aber erkannt und angesprochen, und die sagten auch, dass die Frisur super wäre.
     Sie mussten dann aber schnell weiter, weil sie am Einkaufen waren für unser Fest am Wochenende.«
    »Ach, was haben die denn eingekauft?«
    »Oh, sie zeigten mir ihre Taschen und Schachteln, in denen Schuhe waren, schwarze Schuhe, sie hatten sich Trauerkleidung gekauft,
     ein paar
Kleine Schwarze
und passende schwarze Pumps, also, die nahmen die Sache schon sehr ernst. Sie wollten noch vor Ladenschluss einen schwarzen
     Body für Lisa finden und für Sophie schwarze Stützstrümpfe, also hatten sie nicht viel Zeit und beeilten sich, weiterzukommen.
     Ich bin dann nach Hause gegangen und habe mir endlich ein Bad einlaufen lassen, das wollte ich ja schon seit Wochen tun, einmal
     richtig schön heiß baden. Das hab ich dann auch gemacht, ich lag in der heißen Badewanne mit mehr Schaum, als es die Omi jemals
     erlaubt hätte, und ich genoss es. Dann hat es plötzlich geklingelt, richtig Sturm. Ich hatte keine Ahnung, wer das denn nun
     sein könnte, aber das Klingeln hörte sich so dringlich an, dass ich aus der Wanne stieg, mir meinen Bademantel anzog und aufgemacht
     habe.
    Es war Ernst mit zwei Handwerkern. Die Handwerker trugen Schachteln mit Kacheln in den Flur und stellten sie dort ab, und
     ich schaute rein in die Schachteln: echt schön. Schöne italienische Kacheln, aus der Toskana, ganz toll. Als die Männer die
     eine ganze lange Wand des Flurs zugestellt hatten mit ihren Kachelkartons, da führte Ernst sie durch die Wohnung und zeigte
     ihnen alles. Wo in der Küche die Küchenzeile und die Dunstabzugshaube hin sollte, er führte sie auf den Balkon und ruckelte
     am Geländer herum, das lose war. Und nun ruckelte er es noch loser, es

Weitere Kostenlose Bücher