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Hendrikje, vorübergehend erschossen

Titel: Hendrikje, vorübergehend erschossen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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großer Hund,
     und ich sah zwei mädchenhafte Arme, die den Hund fest umklammerten. Und dann erkannte ich das Gesicht, das zu den mädchenhaften
     Armen gehörte: Paula! Paula und Paula, ihr Köter.
    Ich merkte, dass Paula mich auch erkannt hatte, sie sah mich angstvoll an, mit aufgerissenen Augen. Ich spürte ja den Kerzenschein
     auf meinem Gesicht und wusste, dass ich gut beleuchtet war, man konnte mich erkennen. Ich stand wie angewurzelt da. Da saß
     also die Brandstifterin.
    ›Ich könnte dich umbringen‹, sagte ich zu ihr, und sie fing sofort an zu heulen: ›Ich weiß!‹
    Langsam bin ich weiter ins Zimmer hinein gegangen und sah, dass Paula sich hier häuslich eingerichtet hatte. Es gab einen
     Schlafsack und eine zusätzliche Decke, es lagen ein Hundenapf und ein Rucksack herum, und da obendrauf lag ein Apfel. Ich
     bin langsam zu Paula hingegangen, und die kriegte wahnsinnig Angst, sie nahm den Apfel und hielt ihn mir hin und sagte: ›Da!‹
    Ich hab den Apfel genommen und sofort gegessen, im Stehen und ohne mit Paula zu reden. Ich hab das mit Absicht gemacht, um
     Paula zu demonstrieren, wie es ist, wenn einem das Letzte, was man hat, vor der Nase kaputt gemacht wird. Es macht Lärm, wenn
     man einen Apfel isst, und ich machte jetzt extra Lärm mit dem Apfel, aus Rache. Ich habe in aller Seelenruhe schön laut ausgekaut
     und ausführlich runtergeschluckt. |117| Den Krips hab ich übrig gelassen, vorsichtig auf den Fußboden gelegt und dann mit Brunos Schuhen kaputt getreten. Und als
     ich damit fertig war, hat Paula gesagt: ›Ich hab auch noch Cornflakes und Snickers!‹
    Und dann fing sie an, sich zu entschuldigen, wie wahnsinnig leid ihr das alles täte, sie hätte sich in meinem Atelier auf
     dem Gaskocher einen Kaffee kochen wollen, wäre aber auch schon reichlich bekifft gewesen, und dann dachte sie, sie könnte
     ein bisschen versuchen, wie es wäre, mit dem Terpentin, das überall herumstand, zu schnüffeln, weil sie doch den wahnsinnigen
     Liebeskummer gehabt hätte, und dann hätte sie noch eine geraucht, weil Tabak hätte sie noch gehabt, nur keinen Shit mehr,
     und plötzlich hätte es gebrannt, und sie wüsste echt nicht, wie das nun hätte passieren können. Jedenfalls hätte sie plötzlich
     Flammen gesehen.
    Ich hab sie gefragt, ob sie nicht wenigstens den Versuch gemacht hätte, das Feuer zu löschen, und sie sagte, doch, das hätte
     sie, da wär ja mein Schlafsack gewesen und den hätte sie genommen und versucht, die Flammen damit auszuschlagen, aber da hätte
     der Schlafsack gebrannt und da wär sie dann weggelaufen.
    Ich guckte sie nur an, und sie hielt meinen Blick plötzlich kackfrech aus und rief: ›Mensch! Du bist überhaupt nicht froh,
     dass
mir
nix passiert ist!‹«
    »Paula hat also alles gleich zugegeben?«
    »Ja. Und sie hat dann sogar auch noch gesagt, sie wolle das wieder gutmachen. Das war natürlich rührend, wie sollte sie denn?
     Ich hab mich hingesetzt zu ihr, und sie hat mir ihren Tabakbeutel hingeschoben, und als ich sagte, ich kann keine Zigaretten
     drehen, ich rauch immer fertige, da drehte sie mir eine und bröselte auch noch bisschen Shit rein und sagte, das wär guter
     Shit, den hätte es gerade im Sonderangebot im Sternipark gegeben.
    |118| Ich sagte: »Paula, ich mag keinen Shit, mir wird schlecht davon.«
    Und sie sagte: »Den wirst du mögen, das ist erstklassiges Zeug.« Sie steckte die Shit-Zigarette an und hielt sie mir hin.
    Ich versuchte zu rauchen, und zuerst biss der Rauch in meinen Lungen und machte mich schwindelig, es war meine erste Fluppe
     nach der Lungenentzündung, aber allmählich gewöhnte ich mich dran und der Geschmack gefiel mir, und so wanderte die Zigarette
     zwischen mir und Paula hin und her, also, wir rauchten die Friedenspfeife.
    ›Ich hab kein Zuhause mehr‹, erzählte ich Paula und fragte sie, ob ich auch hier schlafen könnte. Na klar, könnte ich, sagte
     sie und überließ mir sogar ihren Schlafsack. Ich hab ihn ohne rot zu werden angenommen. Als ich am nächsten Morgen aufwachte,
     waren Paula und Paula fort, aber alle Sachen waren noch da, der Rucksack und der Napf.
    Und dann kamen sie zurück, und Paula überraschte mich mit so etwas Ähnlichem wie einem Frühstück, das sie zusammengeklaut
     hatte. Es gab Ölsardinen aus der Büchse und Apfelsaft dazu. Und dann sagte sie, sie hätte eine ganz tolle Idee, dazu würde
     sie den Rucksack brauchen. Sie entleerte ihn vollständig auf den Fußboden, ein paar

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