Hengstgeflüster (German Edition)
zurückversetzt, als im zarten Teenageralter ihre gesamte Welt wie ein Kartenhaus über ihr zusammenbrach und sie zu dem Menschen werden ließ, der sie heute war.
Sie sah durch das große Fenster der geräumigen Kochnische hinaus in eine vergangene Zeit. Wie dumm war sie gewesen? Wie blind vor Liebe und der unbändigen Freude, endlich von ihrem Vater akzeptiert zu werden. Eduardo Torres wusste sich sehr einfallsreich aus der verzwickten Situation, in die ihn seine Tochter hineinmanövriert hatte, zu befreien. Damit sie nicht so viel Zeit mit den Pferden verbrachte, verabredete er seine wunderschöne Tochter einfach mit seinen wichtigsten Geschäftspartnern.
Ja, Eduardo hatte nie etwas ihretwillen oder für sonst jemanden getan. Er war Verkäufer, und Bell seine Ware. So einfach war die Sache, dachte sie und ein Zittern durchlief ihren Körper.
Sie verbot sich weitere Gedanken an diesen einen Tag vor zehn Jahren, der ihr Leben so dramatisch zerstörte. Ja, ganze zehn Jahre waren nun vergangen, doch Bell konnte noch immer den heftigen Schmerz, die brennende Scham und bodenlose Erniedrigung fühlen. Noch heute war es da, dieses Leiden, heftig wie ein Vulkanausbruch, beginnend mit einer schier endlosen Explosion im Inneren ihres Herzens. Ein stiller Hilfeschrei, den niemand hören konnte, niemand wahrnahm. Und eine Erniedrigung, welche die mühevoll aufgebaute Selbstachtung und den existentiellen Lebenswillen eines jungen Menschen gnadenlos ausgelöscht hatte.
Peng.
Mit einem Schlag.
Die Gabe des Vergessens, dachte sie, war jene Gnade der Natur, bei dessen Verteilung der Mensch übergangen wurde. Nun stand sie da, mit einer Selbstverachtung, die ihr Leben zu einer bleiernen Farce werden ließ. Zurück blieb eine verwelkte Seele, die ewig auf der Suche sein würde nach der Vergangenheit. Nach dem, wie es einmal war.
Bebend starrte sie in den hellen Innenhof hinaus. An diesem einen Tag war es geschehen, an jenem schicksalhaften Tag hatte Bell ihre gottgeschenkte Gabe verloren.
Das Schlagen der Eingangstür holte sie unwirsch zurück in die Gegenwart. Lori betrat verlegen die Küche, während Hund um sie herum scharwenzelte.
„Ich hab´ das Hündchen mit einem Pferdeshampoo gewaschen“, sagte sie.
„Das Shampoo riecht aber ordentlich nach Pferd“, stellte Bell fest und rümpfte angeekelt die Nase. Hund rieb sich währenddessen an ihren Beinen.
„Sie hat sich nachher in den Pferdemist geworfen“, erklärte Lori und zuckte entschuldigend mit ihren schmalen Schultern.
„Was bist du bloß für ein undankbares Kerlchen, hmm…?“ Bell streichelte das Tier mit einem Finger.
„ Er ist eigentlich eine Sie “, sagte Lori und Hund bellte bekräftigend. „Und ich denke, dass sie einen Namen braucht….“
„Aber Schätzchen, dieser Hund ist ein wandelnder Misthaufen, kein Haushund. Er wird sicher nicht hier bleiben, sondern bald wieder weglaufen.“ Genau wie sie selbst, dachte Bell. Wie um ihre Worte zu untermauern nickte sie heftig.
„Warum kann sie denn nicht bleiben? Sie ist doch so ein lieber Hund und wünscht sich sicher ein schönes Zuhause“, jammerte Lori.
Bell schüttelte den Kopf und blickte auf das Tier hinab. Hund legte sich auf den Rücken und spreizte alle vier Beinchen.
Lori hielt ihr ein Stückchen Wurst unter die Nase und überlegte laut. „Wie wär´s mit …?“
Bell hob warnend die Hand. „Lass das lieber bleiben, du weißt doch, was man sagt: Sobald du einen Hund fütterst, wirst du ihn nicht mehr los.“
„Na und? Ich will doch, dass sie da bleibt“, ereiferte sich Lori. „Warum willst du sie denn nicht behalten? Magst du keine Hunde?“ Lori blickte Bell anklagend an, genauso wie der Hund. Er winselte leise.
„Nein…ja…ich meine, ich weiß nicht, ich hab einfach keinen Platz für einen Hund.“ Ich hab nicht Mal einen Platz für mich selbst!
„Darf ich sie Lulu nennen?“ Mit hellblauen Kulleraugen sah die Kleine Bell an. Sie hatte dieselben Augen wie Chris, vielleicht eine Spur heller, fiel Bell auf.
„Da brauchst du mich nicht zu fragen, ich meine, das ist ja nicht mein Hund….“
Ach du meine Güte … Lulu?
„Also ich dachte da eher an Dirty Harry…“, vernahm Bell eine tiefe, sehr männliche Stimme in ihrem Rücken.
Soso, der Häuptling war also zurückgekehrt.
„Hund ist ein Mädchen“, klärte Bell Chris auf.
„Also ich finde, sie sieht wie eine Lulu aus“, verteidigte die Kleine das Tier.
Chris rümpfte die Nase. „Zumindest riecht sie
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