Hengstgeflüster (German Edition)
Chrispin gesprochen. Er darf Morgen nach Hause. Vielleicht willst du ihm dann eine bisschen Gesellschaft leisten?“
Loris Miene erhellte sich. „Dann kann ich ihm meine neuen Geschichten vorlesen, die ich geschrieben habe und er muss mir zuhören.“
„Diesmal kann er dir nicht davonlaufen, Kleines.“ Chris schmunzelte.
Bell stellte sich gerade den Bären von Mann vor, wie er im Bett lag und von einem süßen Mäuschen Geschichten vorgelesen bekam. Sie war hier bei interessanten Leuten gelandet, dachte sie. Die beiden Männer schienen Lori über alles zu lieben, waren aber zu unempfänglich für die zarten Gefühle des Mädchens. An diesem Ort fehlte definitiv eine Frau. Signora Antonella schien allen Anwesenden hier zu fehlen, doch sie war Loris Schilderungen nach auch schon steinalt und somit keine wirkliche Bezugsperson für Lori.
Bell sah dem Mädchen nachdenklich hinterher, als dieses mit Lulu hinter dem steinernen, alten Stallgebäude verschwand.
Chris wischte sich den Staub und Schweiß aus dem Gesicht und begutachtete Bells Arbeit. Oh weh, schon wieder war ein deftiges Gewitter im Anmarsch.
„Lady, was soll das werden?“ Er warf einen ungehaltenen Blick auf das blitzblanke Leder. „Ich werde zwei Wochen brauchen, um mich wieder einigermaßen im Sattel halten zu können, ohne abzugleiten.“
„Keine Ahnung was Sie meinen“, meinte Bell unschuldig.
Dieses verrückte Frauenzimmer. Schon wieder log sie ihm ohne mit der Wimper zu zucken ins Gesicht. Und das noch dazu grottenschlecht. Er würde sein letztes Hemd darauf verwetten, dass sie kein Amateur war, was Pferde betraf. Dauernd spürte er ihren prüfenden Blick auf sich. Während des Trainings, wenn er die Pferde pflegte. Sogar wenn er die Boxen ausmistete. Es machte ihn schon ganz nervös, dass sie anscheinend nur darauf wartete, dass er irgendeinem Tier etwas ganz furchtbar Schlimmes antun würde. Er war doch kein verdammter Sadist!
Er liebte die Arbeit mit Pferden. Sie waren sein Leben und sein Lebensunterhalt. Aber Tango zeigte ihm seine Grenzen auf. Als er das Tier vor acht Wochen erworben hatte, wusste er, dass der Umgang mit ihm eine Herausforderung werden würde. Viel zu früh war er seiner Mutter entrissen worden. Viel zu zeitig wurde sein Potential entdeckt und praktisch aus ihm herausgeprügelt. Tief in seinem Herzen war Tango ein gutmütiger Kerl, das konnte Chris spüren, doch die dicke Verteidigungsmauer, mit der das Tier sich umgab, war nicht zu durchdringen. Dabei war er doch einer der führenden Pferdespezialisten Kaliforniens. Zumindest war er das vor kurzer Zeit noch gewesen. Bis seine herzallerliebste Exfrau mit dem Großteil seines Geldes abgehauen war.
Bell war eine harte Nuss, die er da zu knacken hatte. Leider war diese sture Lady momentan nicht seine einzige Sorge. Bellona Torres … Bell Torres …, überlegte er. Ja, natürlich!
„Torres!“, brüllte Chris Bell mitten ins Gesicht.
„Sie sind ja ein ganz Schlauer“, entgegnete sie trocken.
Er ignorierte ihr flatterhaftes Mundwerk. „Sie sind irgendwie mit Eduardo Torres verwandt, hab´ ich Recht?“ Er wartete ihre Antwort nicht ab und klopfte sich anerkennend auf die Schenkel. „Wusste ich´s doch.“
„Tja, möglicherweise kenne ich ihn. Und damit Sie´s gleich wissen, dieses Thema ist hiermit beendet“, entgegnete sie knapp und ließ ihn einfach stehen.
Er sah ihr kopfschüttelnd nach. Verblüfft beobachtete er, wie Bell sich nachdenklich mit dem Rücken an das Gatter des Corrals lehnte. Er wurde einfach nicht schlau aus diesem nervtötenden, aber dummerweise ziemlich süßen Persönchen. Er sah wieder zum Gatter hinüber. Der Hengst näherte sich vorsichtig von hinten. Bell schien ihn nicht zu bemerken, doch Chris wusste es besser. In respektvollem Abstand blieb das junge Tier stehen und streckte sein kluges, aber stures Köpfchen ganz weit nach vor. Beinah berührte er mit seinen empfindlichen Nüstern Bells Haar, das ihr wie in einem bewegten Lichterkranz um das traurige Gesicht wehte. Er beobachtete, wie Tango lautlos einatmete und sich sein Bauch aufblähte. Ganz sachte blies er in ihr Haar, ohne sie dabei zu berühren. Eine zarte Annäherung zweier verlorener Geschöpfe. Was für ein ergreifender Anblick!
Chris musste schlucken, als er dieses stolze Pferd und diese unnahbare Frau beobachtete. Was war nur los mit dieser verletzten, einsamen Person, die sich mit dem Mundwerk eines schlottrigen Waschweibes schützte? Die sich, trotz dieses
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