Hengstgeflüster (German Edition)
Schultern. „Doch dieses Mal war es irgendwie anders.“
Natalia blickte über den Tisch hinweg eindringlich auf Bell. „Verstehen Sie? Dieses eine Mal wusste ich, dass er mich umbringen würde.“
Bell schlug betreten die Hand vor den Mund. „Natalia“, sie schüttelte entsetzt den Kopf, „es tut mir so leid, was Sie durchmachen mussten.“
„Mehr kann ich Ihnen auch nicht erzählen. Ich weiß nur noch, dass er immer und immer wieder auf mich einprügelte. Am nächsten Morgen bin ich dann aufgewacht. Ich lag auf der Couch und Sam, Chris Vater lag blutüberströmt auf dem Boden. Er war tot…und ich war froh darüber.“
Bell nickte. Sie verstand die Frau, konnte sich in sie hineinfühlen. Auch sie hatte bereits einem Menschen den Tod gewünscht. Nur war ihr Wunsch nicht in Erfüllung gegangen.
„Dann ging alles furchtbar schnell. Ich habe das Geschehen wie durch einen Nebel miterlebt. Owen Wilson, Sams Boss, ließ mir keine Möglichkeit. Entweder ich würde sofort verschwinden, oder er würde mich der Polizei übergeben.“
Schmerzerfüllt schloss Natalia die Augen. „Er sagte, er würde Chris behalten, als zukünftigen Ersatz für Sam sozusagen. Er meinte, der Junge hätte es gut bei ihm und Chrispin würde sich um ihn kümmern. So oder so, ich hatte keine Chance.“
„Wären Sie ins Gefängnis gegangen, wäre Chris zu Pflegeeltern gekommen“, stellte Bell fest.
„Ja. Ich war nicht in der Position, lange zu überlegen. Chris liebte die Pferde. Ich wollte ihn nicht aus seiner gewohnten Umgebung reißen. Noch am selben Tag musste ich abreisen.“
„Ich verstehe Sie, Natalia“, sagte Bell. Mehr konnte sie für Chris Mutter nicht tun.
„Wissen Sie, mein Junge ist ein sehr stolzer Mensch. Er wird mir wahrscheinlich nie verzeihen können, aber vielleicht wird er es schaffen, mir irgendwann wieder einmal in die Augen zu blicken.“
Bell nickte bekräftigend. „Das wünsche ich Ihnen von ganzem Herzen.“
„Wir reden die ganze Zeit von mir, dabei sollten wir über Sie und Chris sprechen“, meinte Natalia und lächelte Bell aufmunternd zu. „Wie haben Sie sich kennen gelernt?“
„Bitte, nennen Sie mich doch einfach Bell“, versuchte diese Zeit zu schinden. Sie nippten an ihren Weingläsern und nickten einander in stillem Einvernehmen zu.
Der Alkohol machte Bell gesprächig und ihre sorgfältig aufgebauten Mauern begannen immer schneller einzustürzen. Sie hasste es, diese sympathische Frau anzulügen. Doch sie wollte Chris nicht in den Rücken fallen. Er musste schließlich selber wissen, was er tat.
„Ach, weißt du, Chris hat eine Kontaktanzeige übers Internet geschaltet: Mann sucht Frau mit Hund fürs Pferd. Da wurde ich einfach neugierig und besuchte ihn. Den Hund fand ich übrigens unterwegs.“ Bell deutete auf die struppige Promenadenmischung unter dem Tisch. Lulu warf ihr einen ergebenen Blick zu. Konnte dieser Hund denn niemals normal riechen?
„Ich glaube dir kein Wort“, lächelte Natalia verschmitzt, „aber ich mag dich trotzdem.“
Sie prosteten sich zu und Bell hatte zum ersten Mal das unbestimmte Gefühl, nach Hause gekommen zu sein. Sie unterhielten sich noch bis spät in die Nacht.
Der nächste Morgen begann für Bell mit höllischen Kopfschmerzen. Chris donnerte irgendetwas von besoffenen Weibern , aber Bell war der Sprache noch nicht mächtig. Ihre Zunge klebte am Gaumen und sie hatte null Spucke übrig um ihre Stimme zu schmieren. Sie erhob ihren dröhnenden Kopf vom Küchentisch und erblickte Natalia, die sich am Küchenboden zusammengerollt hatte, dicht an Lulu gekuschelt.
„Das ist ja ekelhaft“, stieß Chris entsetzt hervor und machte einen mächtigen Sprung an die hintere Wand, als Natalia ein dumpfes Stöhnen von sich gab und ihr Kopf mit einem Ruck unterm Tisch hervortauchte.
Furcht erregend schnell fuhr sein Blick herum und seine Augen richteten sich bohrend auf Bell.
„Bezahle ich dich etwa fürs Saufen?“
„Ähmm,…“, begann Bell.
„Chris bezahlt dich? Wieso denn das?“, kam es dumpf unterm Tisch hervor.
„Ich bin seine Nutte und er bezahlt mich für seine Dienste“, keifte Bell Chris an.
Seine Explosion stand nahe bevor. „Du hast dich also mit ihr verschworen“, deutete er unter den Tisch.
„Mach dich nicht lächerlich…“, schimpfte Bell verstimmt.
„Warum bezahlst du sie? Ich verstehe das nicht…“, wisperte die gedämpfte Stimme von unten.
„Das geht dich einen Scheißdreck an“, schrie Chris unter den
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