Hengstgeflüster (German Edition)
Schultern. „Das Leben ist erbarmungslos.“
„Weshalb hasst er Sie so sehr?“ Diese Wortwahl war leider etwas ungeschickt.
Natalia schluckte krampfhaft, verschloss sich jedoch nicht vor der Wahrheit. „Wo soll ich anfangen?“, sagte sie und rang die Hände.
Bell schenkte Rotwein ein und gesellte sich zu ihr an den großen Tisch in der Mitte des Raumes.
„Ich lernte Chris´ Vater hier in Casine di Buti kennen. Er arbeitete auf einer großen Ranch in Amerika, wie er mir erzählte.“ Sie nahm einen großen Schluck. „Er war ein richtiger Cowboy. Und ich war ein junges, dummes Mädchen und träumte von der großen weiten Welt.“ Sie atmete tief durch.
„Er sagte, er wäre hier, um neue Pferde für seinen Boss zu besichtigen. Er war charmant, sexy und ungehobelt. Er hatte die blausten Augen der Welt und ich verliebte mich auf der Stelle in ihn.“
„Sie sind mit ihm nach Amerika gegangen, stimmt´s?“, fragte Bell.
Sie nickte. „Er versprach mir das Blaue vom Himmel herunter und ich glaubte ihm jedes Wort. Er sagte, er sei Pferdetrainer, versprach mir den großen Reichtum an seiner Seite. Nicht, dass mir an seinem Geld etwas gelegen wäre, aber meinen Eltern natürlich schon, und so wurden wir drei Wochen, nachdem wir uns kennen gelernt hatten, hier in Cascine di Buti, vermählt.“
Bell nickte teilnahmsvoll. „Dann kam das böse Erwachen“, schloss sie und beide Frauen leerten ihre Gläser in stillem Einvernehmen. Bell stand auf und holte die Flasche Rotwein gleich an den Tisch.
„Er nahm mich mit auf diese Ranch nach Kalifornien. Da war ich bereits mit Chris schwanger. Alles ging so furchtbar schnell. Dass er weder Pferdetrainer, noch ein guter Ehemann war, musste ich bereits nach kurzer Zeit feststellen. Er war mit den übelsten Burschen unterwegs, kam immer öfter betrunken nach Hause und betrog mich von Beginn an mit anderen Frauen. Dann bekam ich Chris. Ich war überglücklich, dass ich ihn hatte. Endlich hatte mein Leben wieder einen Sinn in diesem fremden Land, wo ich so einsam war, und so weit weg von Zuhause.“
Bell fasste über den Tisch hinweg Natalias Hand. „Was ist danach geschehen?“
„Tja, als Chris vier Jahre alt war, kamen Sams Saufkumpane immer öfter mit nach Hause und sie betranken sich maßlos. Sie gebärdeten sich immer ungehaltener und schlussendlich sperrte ich mich jeden Abend mit Chris im Schlafzimmer ein, weil ich um unsere Sicherheit fürchtete.“
„Als Sie von dort weggegangen sind, warum haben Sie Chris da nicht mitgenommen?“, fragte Bell sanft. Es war keine Anklage, nur eine Frage. Sie musste es einfach wissen. Sie brauchte die Bestätigung, dass diese wunderschöne, sanfte und sehr nette Frau nicht jene Person war, für die Chris sie hielt.
„Glauben Sie mir, das wollen Sie nicht wissen.“
Erstaunt sah Bell auf. „Sie müssen es mir nicht erzählen, wenn es Sie zu sehr belastet.“
„Ich hatte keine Wahl, als Chris dort zu lassen“, rechtfertigte sie sich mit ausdrucksloser Stimme und leerte ihr nächstes Glas in einem Zug, „denn in jener Nacht, bevor ich fort ging, habe ich meinen Mann getötet.“
Sprachlos starrte Bell Natalia an.
„Nun schauen Sie nicht drein, als ob Sie die Nächste auf meiner Liste wären“, scherzte diese.
„So gefährlich sehen Sie gar nicht aus, finde ich“, meinte Bell vorsichtig. Sie wusste nicht, wie sie auf diese unerwartete Eröffnung reagieren sollte.
Natalia grinste, doch Bell konnte ihren tiefen Schmerz fühlen.
„In dieser Nacht kam er sturzbetrunken heim. Wieder einmal. Ich hatte mich mit meinem kleinen Jungen in das Schlafzimmer eingeschlossen. Er wütete draußen vor der Tür. Ich hatte solche Angst. Vor allem um Chris. Wissen Sie, er hatte ihn schon vorher ein paar Mal geprügelt, als ich beispielsweise Einkäufe erledigte.“
„Meine Güte, Natalia…“, begann Bell, doch ihr versagten die Worte, so trank sie vom Wein.
„Er begann, gegen die Türe zu treten.“
Bell fasste ihre Hände über den Tisch hinweg.
„Ich versteckte Chris im Schrank, damit dieses Schwein ihn nicht in die Finger bekommen konnte. Ich befahl ihm, sich die Ohren zuzuhalten und ganz leise zu sein, egal was passieren würde. Er dürfe erst wieder aus dem Schrank kommen, wenn ich ihn holen würde.“
Tränen traten Natalia in die Augen.
„Er hat die Tür eingetreten?“ folgerte Bell.
Natalia bejahte. „Er kam rein und schlug mich mit der Faust ins Gesicht. Das hatte er öfters gemacht.“ Sie zuckte mit den
Weitere Kostenlose Bücher