Hengstgeflüster (German Edition)
er am Sattelgurt herumfummelte.
Er trat auf die andere Seite und sie sah, dass er die Steigbügel hochstellte.
„Was soll das werden?“, fragte Bell und legte den Rückwärtsgang ein.
„Du wirst dich jetzt auf dieses verdammte Pferd setzen und mir zeigen, was du drauf hast. Sofort!“
„Du spinnst doch…!“ Das konnte ja wohl nicht sein Ernst sein!
„Ich warne dich, probier´ ja keine miesen Tricks, sonst werde ich mein Geld anders bei dir eintreiben“, sagte er und Bell schluckte hörbar.
Zögernd näherte sie sich dem Pferd. Sie war den Tränen nahe, doch Chris zeigte keine Gnade. Der Hengst kam ihr riesig vor, seit über zehn Jahren war sie keinem solchen Tier mehr so nahe gekommen. Zitternd legte Bell eine Hand auf das warme, feuchte Fell des verschwitzten Tieres. Sie betastete ihn vorsichtig. Er musste doch ihre Nervosität spüren, dachte sie hilflos. Wie konnte Chris nur zulassen, dass sie sich nach so langer Zeit auf solch ein gefährliches Pferd setzte?
„Komm, ich helfe dir…“, sagte er und bat ihr die Räuberleiter an.
„Geh weg...“, zischte Bell mit bebender, zutiefst erschütternder Stimme, „…du machst ihn ganz nervös.“
Nach einem intensiven Blick auf Bell trat er zögernd einen Schritt zurück. Plötzlich war er sich seiner Sache gar nicht mehr so sicher. Hatte er zuviel von ihr verlangt? Die Lady schien zutiefst verstört…
„Verschwinde“, schrie Bell Chris an, als er sich nicht von der Stelle rührte. Tango schnaubte nervös und scharrte mit den Vorderhufen im Sand.
Zögernd ging Chris aus dem Round Pen, ließ Bell jedoch nicht aus den Augen.
Als er weit genug weg war, stand Bell mit hängendem Kopf einen Meter entfernt von dem Hengst. Sie bewegte sich nicht.
Bleierne Schwere erfasste ihre Glieder. Sie spürte ihre langjährige Last wie Tonnen auf sich ruhen, diese raubte ihr den Atem, schien sie fast zu erdrücken. Es wirkte, als würde sich die junge Frau eine halbe Ewigkeit nicht vom Fleck rühren. Da wandte sie sich plötzlich um.
Chris beobachtete sie beunruhigt. Sie schien irgendeine Veränderung durchgemacht zu haben. Doch ihr unsichtbarer Schutzwall schien für ihn so unüberwindbar wie die Chinesische Mauer.
Ruhigen Schrittes ging sie auf Tango zu, dessen Zügel den Boden berührten. Das Tier rührte sich nicht. Wenigstens diese Lektion hatte es gelernt, dachte Chris.
Bell berührte den Hengst vorne an seinen empfindlichen Nüstern, strich ihm am Hals entlang, fuhr über seine bebenden Flanken und umrundete ihn hinten.
Chris hielt die Luft an und stieß sie erst wieder aus, als sie nicht mehr direkt hinter dem Pferd stand.
Dann tat Bell auf der anderen Seite dasselbe, indem sie Tango überall berührte. Der Hengst stieß ein nervöses Schnauben aus, war aber keineswegs aggressiv, stellte Chris fest.
Bell stemmte sich mit ihrer rechten Hand in den Steigbügel, verlagerte ihr Gewicht darauf und beobachtete dabei die Reaktion des Hengstes. Tango rührte kein Ohr, also stieg sie mit ihrem rechten Bein in den Bügel und schwang sich sanft in den Sattel.
Wie schon fünf Tage zuvor hörte Chris die Luft sirren und ihre gemurmelten Worte überkamen alle anwesenden Personen. Das waren mittlerweile auch Chrispin und eine bestürzte Natalia, die vor lauter Schreck die Hände vor ihrem Mund zusammenschlug und Chris mit einem strafenden Blick bedachte.
Trotzdem, wie im stillen Einvernehmen, hüteten sich alle Anwesenden, auch nur einen Mucks von sich zu geben. Wie durch Zauberhand setzte sich Tango in Bewegung und schritt mit weit ausholenden Hufen in einer gerade Linie an die äußere Bande.
Alle hielten die Luft an.
Tango warf nervös den Kopf in die Höhe, knirschte aber nicht mit seinen Zähnen, was Chris als gutes Zeichen wertete. Nach einigen ungeraden Wendungen und Seitenwechseln trieb sie Tango zum Trott. Der feuerte wie aus der Rakete geschossen los und wirbelte wie wild durch die Bahn.
Zu Chris´ Erstaunen schaffte es Bell, bei allen von Tangos akrobatischen Verrenkungen im Sattel zu bleiben und langsam beruhigte er sich. Sein Takt wurde sauberer. Chris hatte plötzlich eine Heidenangst und hielt das Gatter des Corrals fest umgriffen. Was war er bloß für ein Blödmann! Dieser verrückte Hengst würde sie umbringen.
Als Bell sicher war, dass Tango seinen gröbsten Pfeffer verschossen hatte, setzte sie ihm weich ihre Schenkel an und nahm sachte die Zügel auf. Tango pfefferte unwillig vorwärts und Bell setzte sich tief in den Sattel.
Sie
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