Hengstgeflüster (German Edition)
mutierte bereits zu einer geifernden Wölfin.
Natalia hingegen gab sich schweigsam.
„Geht es dir gut?“, fragte Bell besorgt.
„Keine Ahnung“, entgegnete Natalia. Sie hob die Arme und raufte sich sprichwörtlich die Haare. „Ich bleibe keinesfalls hier im Haus.“
Bell überlegte. Das war eine klare Ansage. Sie verstand Natalia.
„Was willst du tun?“, fragte Bell.
Ihre Freundin zuckte mit den Schultern und wischte sich den Schweiß von der Nase. „Nun“, sagte sie süffisant, doch Bell sah, wie verletzt sie war, „Karlee ist vermutlich ein Geschenk des Himmels für Chris, wenn er mich durch sie los wird.“
„So ein Quatsch“, schüttelte Bell den Kopf, „Chris hat sich doch in letzter Zeit gar nicht so schlecht benommen.“
Natalia lächelte zögerlich. Eine Weile saßen sie schweigend nebeneinander und nippten an ihrem Bier.
„Natalia…“, fragte Bell.
„Hmm“, sagte diese mit der Flasche an ihren Lippen.
„Ich hab da eine Idee…“, meinte Bell geheimnisvoll.
Karlee Karsson zitterte vor Wut. Bastarde! Alles verdammte Bastarde! Ihr Kopf fuhr zur offenen Wohnzimmertüre. „Mädchen“, rief sie knurrend, als Lori sich an dem Durchgang vorbei stehlen wollte, „bring mir eine Tasse Tee. Und um Gottes Willen, steh gerade, oder willst du einmal so daherlaufen wie ich?“
„Nein Ma´am“, antwortete Lori artig.
„Na also“, meinte Karlee milder gestimmt. Sie trug einen grauen Morgenmantel und hatte mit dem überirdischen, blauen Wesen vom Marktplatz rein gar nichts mehr gemein. Im Gegenteil, sie sah alt und verbraucht aus.
„Ich will den Tee schwarz, mit einem Schuss warmer Milch und einer Zitronenscheibe. Meinst du, du kriegst das hin?“
„Das ist ja ekelig“, sagte das Mädchen und verzog dabei den Mund.
„Es hat dich niemand um deine Meinung gefragt“, wetterte Karlee, „du unhöfliches Gör.“
„Entschuldigung Ma´am“, flüsterte die Kleine.
Karlee wedelte wie eine Herzogin mit der Hand. „Na los, oder willst du mich hier vor die Hunde gehen lassen?“
Lori schüttelt den Kopf und musterte interessiert den Teppich, auf dem sie stand.
Dann begegnete sie Mrs. Karssons mahnenden Blick und beeilte sich zur Tür hinaus.
„Geh gefälligst gerade“, schnarrte die Frau.
Als Lori die Tasse mit der sonderbaren Teemischung vorsichtig ins Wohnzimmer trug, schepperte diese leise auf dem kleinen Tellerchen.
„Sieh nicht so angestrengt obendrauf, dann fällt sie auch nicht runter“, belehrte sie Lori.
„Das kann ich aber nicht“, klagte diese leise und etwas Tee schwappte über den Rand.
„Sei nicht so eine Memme, sondern zeige Selbstvertrauen.“
„Okay“, wisperte die Kleine und fiel noch ein Stückchen mehr in sich zusammen.
Eine flache Hand patschte hart auf ihren Rücken und Lori verschüttete vor Schreck noch mehr von dem Tee, dessen Tasse sie jetzt mit beiden Händen umklammerte.
„Als ich so alt war wie du stand ich schon auf der Bühne und sang und tanzte vor tausenden von Leuten“, erzählte Karlee und nahm einen Schluck. Angewidert verzog sie die Lippen.
„Du hast wohl von der wilden Nymphe kochen gelernt!“ Auch Karlee hatte sich bereits ein Urteil über Bells Kochkünste gebildet.
„Bell ist klasse“, verteidigte Lori sie. So, wie es richtige Freundinnen füreinander taten.
„Es hat dich niemand gefragt“, drehte Karlee Lori das Wort ab.
„Ich könnte nie vor Leuten singen oder tanzen“, meinte die Kleine und kam auf das eigentliche Gesprächsthema zurück.
„Mich hat damals auch niemand gefragt“, meinte Karlee daraufhin tonlos.
„Warum haben Sie dann gesungen?“ Ein strafender Blick ließ Lori innehalten. „Ich meine“, fuhr sie daraufhin energischer fort, „wenn Ihnen das gar keinen Spaß gemacht hat.“
„Kinder tun, was Erwachsene ihnen anschaffen“, sagte Karlee barsch. „Ob es auch wirklich das Beste für sie ist, sei dahingestellt.“
„Das verstehe ich nicht.“ Lori hob verzweifelt ihre kleinen Ärmchen. „Ich bin nämlich erst acht.“
„Macht nichts, über solche Sachen musst du dir auch noch keine Gedanken machen.“
„Ich kann gar nicht singen.“
„Das brauchst du auch nicht“, antwortete Karlee mit Nachdruck. Sie betonte die letzte Silbe besonders stark und spuckte einen wahren Sprühregen aus ihrem feuchten Mund.
„Wichtig ist nur, dass du irgendeine Beschäftigung findest, die du gerne machst.“
„Ein Hobby?“, fragte die Kleine mit glockenheller Stimme.
„Ja, genau“,
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