Hengstgeflüster (German Edition)
zielgerichtet boxte ihr eine Hand in den Rücken und das Mädchen richtete sich schnell gerade.
„Los, sag schon, womit beschäftigst du dich gern?“
Das Kind überlegte kurz. „Weiß nicht.“
„Was soll das heißen, hm?“, sagte Karlee und starrte das Mädchen entgeistert an. „Du musst doch wissen, was du den ganzen Tag über treibst.“ Karlee schüttelte den Kopf und schniefte. Den ganzen Tag schon brachte sie den ziegenartigen Gestank dieses Köters nicht mehr aus ihrer Nase.
„Ich mag Tiere“, überlegte die Kleine laut. „Tanzen und Singen mag ich gar nicht.“
Karlee schnaufte erbost. Fantasieloses Kind!
Loris Miene erhellte sich. „Natalia hat mir einen Koffer geschenkt, in dem ich in Gläsern Kräuter sammeln kann. Chrispin erklärt mir dann welche es sind und wie man daraus Medizin macht.“
Nachdenklich hielt die Alte inne. „Du willst also Ärztin werden?“
„Nö, ich kann kein Blut sehen, oder wenn sich jemand verletzt hat.“ Sie seufzte laut auf. „Zum Beispiel, als Chrispin sich den Fuß gebrochen hat, vor ein paar Tagen, da war ich so besorgt, dass ich mich nicht mehr bewegen konnte. Bell hat mich gerettet.“
Karlee hatte keine Ahnung, wovon die Kleine sprach. „Du willst also eine Heilerin sein, kannst aber keine verletzten Menschen sehen, hab ich das richtig verstanden?“ Mit zusammengekniffenen Augen durchlöcherte sie Lori.
„Ja Ma´am“, ich meine, nein Ma´am“, stotterte diese. „Ich will Tiere heilen, nicht Menschen.“
„Und du traust dir das zu?“ Sie blickte auf das Mädchen als würde sie ihr nicht abnehmen, was sie da erzählte.
Unbehaglich räusperte Lori sich. „Ja“, sagte sie dann und richtete sich zu einer vollen Größe von einem Meter siebenundzwanzig auf. „Ja, das kann ich ganz gut, glaube ich.“
Taxieren standen sich Großmutter und Enkelin gegenüber.
„Na gut, Mädchen. Schön langsam bekommst du ein bisschen Mumm. Und jetzt geh rüber und hol mir noch eine Tasse. Bemüh dich, oder willst du, dass ich an dieser ekelhaften Brühe elend zugrunde gehe?“
„Nein Ma´am“, meinte das Mädchen. Hoch erhobenen Hauptes und mit einem zögerlichen Lächeln im Gesicht wandte sich Lori ihrer Aufgabe zu. Die alte Dame war also gar nicht so schrecklich. Nun, eigentlich schon, aber Lori hatte nicht mehr gar so viel Angst vor ihr. Sie war sogar richtig stolz auf sich selber.
„Mach nicht so einen krummen Rücken, Mädchen. Sonst siehst du in ein paar Jahren aus wie Frankenstein“, bellte Karlee der Kleinen nach. Ein warmes Gefühl breitete sich um ihr scheinbar eisiges Herz aus.
16. Kapitel
Bell hatte Unmengen an Moskitospray aufgetragen, bevor sie aus dem Haus trat. Sie war voller Tatendrang. Was war sie doch manchmal für ein kluges Mädchen. Was die Not nicht alles aus einem Menschen herausholte. Verblüffend!
Lori stemmte gerade mit hochrotem Köpfchen einen Heuballen in die Stallgasse. Futterzeit!
„Süße, du willst doch keinen Kreislaufkollaps bekommen.“
„Tango ist schon ganz wuggie“, keuchte Lori und der Hengst hieb wie auf Kommando mit seinem Huf polternd gegen die Boxentür. Hunger, sollte das bedeuten.
„Ja, ja, du armer Kerl“, schmunzelte Bell, „du bist ein ganz Hungriger, nicht wahr?“
Ungeduldiges Brummeln ertönte, diesmal von Annie, die ihr Köpfchen in die Stallgasse reckte.
„Ich glaube sie vermisst Dad“, meinte die Kleine.
„Vielleicht ist sie auch nur hungrig“, entgegnete Bell. „Aber wahrscheinlich hast du Recht, sie sieht ganz traurig aus.“ Ich vermisse ihn auch, dachte Bell. „Er wird ja bald wieder da sein“, sagte sie.
Lori tätschelte Annies geblähte Nüstern.
„In der Zwischenzeit machen wir uns hier ein paar schöne Tage“, sagte Bell zuversichtlich.
„Gehen wir auf den Rummel?“ fragte Lori hoffnungsvoll.
„Rummel?“
„Ja, in Bientina, weißt du. Chrispin hat gesagt, ich soll dich fragen, weil er hat ja ein kaputtes Bein und kann so schlecht gehen.“
Dieser hinterhältige Bastard. So einfach würde er sich nicht aus der Affäre ziehen!
„Schätzchen, sag´ doch einfach Chrispin, das wir am Abend alle gemeinsam hinfahren werden.“
Loris Gesichtchen erhellte sich. „Au ja“, jubelte sie.
Bell seufzte. Schade, dass die Kleine keine anderen Kinder zum Spielen hatte.
„Darf ich dann Zuckerwatte haben?“
„Klar, wenn es welche gibt.“ Bell schmunzelte. Die offensichtliche Freude des Mädchens war ansteckend. Heute war ein guter Tag, auch ohne Chris.
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