Hengstgeflüster (German Edition)
„Bei der Hitze kommt kein Übermut auf. Sie sind genauso froh wie wir Menschen, wenn sie sich nicht bewegen müssen.“
Er nickte und tätschelte Tango, der zögernd an seinem Shirt knabberte.
„Tu bloß nicht so scheinheilig, du kleiner Teufel“, sagte er liebenswürdig.
Beide lachten. Unbemerkt hatte der Rabauke den Zipfel von Chrispins Hemd in den Mund genommen und kaute – scheinbar abwesend – darauf herum.
„Ich schätze, das Training können wir getrost auf heute Nacht verlegen“, sagte Chrispin.
Bell nickte zustimmend und grinste dann schelmisch. „Natürlich. Nachdem wir mit Lori am Jahrmarkt waren.“
Chrispin stöhnte gepeinigt auf. „Aber, .... uuhh, mein Bein…“
Schauspieler! „Nichts da“, bestimmte die junge Frau energisch, „mitgehangen, mitgefangen“, sagte sie streng und fügte dann eindringlich hinzu, „bitte, es würde ihr so viel bedeuten.“
„Na gut, meinetwegen“, brummte er. „Aber ich steige ganz bestimmt in kein so ein Mörderding!“
Bell gluckste und schüttelte langsam den Kopf. „Du bist wirklich tapfer“, lobte sie ihn.
„Kannst du dir das vorstellen? Ich , auf dem Rummel?“
Sie betrachtete es als eine rhetorische Frage.
Das Knirschen der Autoreifen in dem groben Kies der Einfahrt unterbrach ihr Geplänkel. Chrispin lauschte überrascht.
Bell sprang auf. Chris? War er etwa schon wieder zurück? Nein, unmöglich, bremste sie ihre Euphorie. Schwachsinn!
Lulu rannte kläffend ins Freie. Ein hysterisches Quietschen ertönte von draußen.
„Madonna mia, diavolo?“, erklang es entsetzt.
Bell beeilte sich nach draußen, denn Lulu hatte bekanntermaßen eine Vorliebe für Schuhe. Sie musste verhindern, dass der neue Hofwachhund einen Eindringling zerfleischte.
„Oh oh, mein Herz, mein armes, armes Herz“, jammerte die fremde Besucherin, hielt inne und klagte noch mehr, als sie Bell erblickte.
Bell entdeckte mitten im Hof ein korpulentes Weiblein. Die Hände hoch in den Himmel gereckt stand sie da und tat, als würde Lulu sie mit einer Waffe bedrohen.
„Wer sind sie? Wo bin ich? Ich muss falsch abgebogen sein, aber dort…“, sie legte eine Hand an ihre pausbäckige Wange und deutete mit der anderen zum Cottage hinüber, „…dort drüben steht mein Häuschen.“
So und nicht anders hatte Bell sich Frau Holle vorgestellt. Nun brach die Dame ganz und gar undamenhaft in lautes Wehklagen aus.
„Oh nein, Lady, beruhigen Sie sich doch“, beschwichtigte Bell diese und nahm sie unbeholfen in den Arm. Arme Irre, sie musste sich verlaufen haben!
Chrispin erschien in der Stalltür. Vor Erleichterung weinend seufzte die sonderbare Lady auf.
„Signora Antonella“, hörte Bell Chrispin sagen.
„Oh, mein Junge“, schluchzend fiel Frau Holle in seine ausgestreckten Arme. Er überragte sie um Längen nach oben, sie ihn um Längen in der Breite.
Chrispin und ein Junge? Bei dieser Vorstellung musste Bell grinsen. Doch irgendwie fühlte sie sich gerade wie ein Eindringling – ganz schrecklich fehl am Platz.
„Hi, ich bin Bell“, sie reichte der Fremden, die anscheinend gar nicht so fremd war, die Hand. Man hatte in der letzten Zeit ganz eindeutig vergessen, eine bestimmte Person in ihrer Gegenwart zu erwähnen.
„Signora Antonella“, piepste Lori und rannte in halsbrecherischem Tempo die breite Eingangstreppe herab. Sie flog geradezu an den wogenden Busen der Frau.
„La mia ragazza, il mio piccolo“, sie wiegte die Kleine zärtlich hin und her.
„Du hast mir so gefehlt“, flüsterte Lori, „geht es deiner Mom wieder gut?“
„Ach Liebes, ja, jetzt tut ihr nichts mehr weh“, sagte die Signora mit Traurigkeit in der Stimme.
Bells Blick wurde sanfter. Oh…
„Signora Antonella“, schaltete sich Chrispin nun ein, „das ist Bellona Torres. Bell, das ist Signora Antonella, die Haushälterin hier. Sie wohnt schon seit Jahren im Cottage.“
Bell seufzte. Ach so…
Die Tür sprang auf und Natalia trat ins Freie. „Nein“, keuchte sie ergriffen auf, „Nona, Nona.“ Mit wehendem Haar stürzte Chris Mutter die Treppe herab und in Nonas Umarmung hinein.
„Nettie, bella mia.“ Die alte Lady weinte ergriffen. „Was tust du hier? Weiß der Junge…?“
Mit dem Jungen musste sie diesmal wohl Chris meinen, dachte Bell.
„Aber ja, Nona, es ist alles in Ordnung“, sagte Natalia und fügte dann noch schnell hinzu, „zumindest so einigermaßen.“
„Ich freue mich ja so … alle meine Babys, an diesem Ort hier.“ Eine einsame Träne
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