Hengstgeflüster (German Edition)
Situation in Buti, all die Ängste um Chris und Bell, die mit den Pferden unterwegs waren und auch um das wunderschöne Anwesen, die Podere la Buti , ließen ihr keinen Schlaf. Erschwerend hinzukam, dass sich Nona mit Karlee ein Zimmer teilen musste, da das kleine Häuschen ihrer verstorbenen Mutter ohne Zweifel zu klein war für vier erwachsene Personen. Deshalb mussten die beiden Jungen im Garten campen und Nona hatte wieder einmal Karlee am Hals. Und diese schnarchte bereits seit Stunden auf Teufel kam heraus. Nona seufzte. Warum musste in ihren alten Tagen alles so dermaßen aus dem Ruder laufen?
Sie sah von ihrer harten Schlafstätte aus auf das komfortable Bett hinüber, welches Karlee ohne zu fragen in Beschlag genommen hatte.
Wieso machte diese schräge Person so ein Geheimnis um ihr Erscheinen auf der Podere la Buti ? Sie würde ihr letztes Hemd darauf verwetten, das bei Karlee nichts so war, wie es den Anschein hatte. Man wurde einfach nicht schlau aus ihr. Ja, dachte Nona, man kam ihr kein Stückchen näher. Sie schien es nur darauf anzulegen, dass man immerzu das Schlimmste von ihr annahm. Sie rollte sich auf den schmerzenden Rücken. Die Pritsche war eindeutig zu hart für Menschen ab einem gewissen Alter. Nona richtete sich auf und sah sehnsüchtig zum breiten Bett hinüber. Karlee lag quer darüber.
Ach, was soll’s, dachte die Signora, zuckte mit den Schultern und erhob sich. Dies war jetzt immerhin ihr Häuschen, und sie hatte Karlee nicht eingeladen! Mit steifen Gliedern wanderte sie durchs Zimmer und ließ sich neben Karlee aufs Bett plumpsen. Die gab ein mürrisches Stöhnen von sich, schlief aber weiter.
Es war einfach himmlisch. Diese weiche Matratze! Nona ließ sich in die Kissen sinken und gab Karlee einen Schubs, da diese das ganze Doppelbett in Beschlag genommen hatte. Sie sank nach hinten und schloss die Augen. Welch göttliche Ruhe…
„Heilige Scheiße, wer sind denn Sie ?“ Ein schlaftrunkenes Kreischen riss Nona aus dem Land der Träume. Ach Gott, jetzt ging das wieder los …
Mit einem schnellen Seitenblick auf ihr Handgelenk stellte die Signora grollend fest, dass sie kaum eine Stunde geschlafen hatte. Sofort schloss sie die Augen wieder. „Ich bin’s, Karlee.“ Sie seufzte ergeben. „Soll mich doch der Teufel holen, ich schlafe hier drinnen, ob du willst oder nicht. Das ist schließlich mein Bett!“
Die Signora hörte lautes Atmen. Die Bodendielen quietschten. „Bitte, gib mir noch ein paar Stunden, dann kannst du mich wieder in den Wahnsinn treiben…“, klagte sie.
„Mach die Augen auf!“ Irgendwas an Karlees Tonlage ließ sie innehalten. Sie hörte gekünsteltes Räuspern. Meine Güte, dachte Nona noch, die kuriose Karlee hatte aber einen ganz ordentlichen Bariton. Das kam sicher vom vielen Rauchen in Jugendzeiten. Nona öffnete ihr linkes Auge und starrte zu ihrem grenzenlosen Entsetzen direkt in die schwarze Mündung eines Pistolenlaufs.
21. Kapitel
„Meine Herren“, meinte Bell bestürzt, als Chris das große, schmiedeeiserne Tor zu Marios Anwesen öffnete, „da hat sich mein Zukünftiger aber ein Märchenschloss geangelt.“
Links vom Tor befand sich eine braun gestrichene Tür, die wahrscheinlich zu den Wohnräumen ihres Vermieters führte. Ein muffiger, abgestandener Geruch wehte ihnen um die Nase. An der Wand hing eine eiserne Laterne, eine heruntergebrannte Kerze warf schwaches Licht in den vom zerfallenen Stallgebäude begrenzten Innenhof. In einer Ecke bemerkte Bell eine tote Ratte und an der Mauer entlang türmten sich volle Müllbeutel.
„Der Rattenfänger von Hammeln hat´ s wohl nicht so mit der Sauberkeit“, meinte Chris tonlos.
„Meinst du, wir holen uns hier irgendeine Seuche?“
Er blickte sich angeekelt um. „Wahrscheinlich die Pest, den Ratten nach zu urteilen.“
„ Wo hat er gemeint, dass wir schlafen sollen?“, fragte Bell mit vager Stimme.
„Im Stall bei den Ziegen“, sagte er.
„Bist du noch ganz bei Trost? Wie konntest du da einwilligen? Ich meine, ich bin die Letzte, die herum mault, aber ich habe wirklich Angst um unsere Gesundheit.“
Sie traten, gefolgt von den Pferden, durch den engen Hof. Zwischen den Müllbeuteln raschelte es verdächtig. Eine Ratte, so groß wie Lulu, starrte ihnen mit leuchtenden Augen aus der Dunkelheit heraus entgegen und fauchte provokant. Lulu verkroch sich heulend zwischen Tangos Beinen.
„Nein, das glaube ich nicht“, meinte Chris gespielt entsetzt, „unsere kleine stinkende
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