Hengstgeflüster (German Edition)
finden“, schluchzte sie verzweifelt.
„Sag das bitte noch ein Mal.“
„Ich bin aufgewacht und da war sie weg“, bebend vor Panik umfasste sie seinen Ellenbogen. Sie trug ein weißes, knöchellanges Nachthemd und sah darin aus wie ein mittelalterliches Burgfräulein.
Schnell handelte er. „Du nimmst den rechten Flur und ich den linken. Sie kann noch nicht weit sein“, versuchte er sie ungeschickt zu beruhigen.
Zum Teufel, er kannte sich nicht aus mit heulenden Weibern.
Natalia war wie versteinert. Wie unfähig konnte sie denn noch sein? Zuerst verlor sie ihren Sohn und jetzt, Jahre später, verlor sie die Tochter ihres Sohnes. Chris würde ihr nie verzeihen, er würde sie hassen und rausschmeißen. Die ganze harte Arbeit wäre verlorene Liebesmühe gewesen. Verzweifelte Schluchzer schüttelten ihren Körper.
Chrispin humpelte in hellblauen Boxershorts den Gang hinunter. Er wurde wirklich zu alt für solche mitternächtlichen Einlagen. Er machte sich keine zu großen Sorgen, denn Lori war gelegentlich eine Schlafwandlerin.
Vielleicht hätte er diesen Umstand Natalia mitteilen sollen, dachte er. Mann, was war er doch für ein riesiges Arschloch! Er fand das Mädchen beim großen Fenster am Ende des Flurs. Sie starrte wie gebannt hinaus und er versuchte sie nicht zu erschrecken. Sanft sprach er sie von hinten an und wartete, bis sie auf seine Stimme reagierte. Chrispin nahm sie bei der Hand und ging mit ihr langsam zurück. Ihr letzter nächtlicher Ausflug lag schon eine Weile zurück. Sie hatte sich damals mitten in der Nacht zu Annie in die Box gelegt. Dem Himmel sei Dank erwischte es die sanftmütige Annie, nicht Tango, den Flegel. Chris hatte Chrispin am nächsten Morgen kreidebleich aus dem Bett geworfen und sie beide rannten, verrückt vor Sorge, Lori suchen. Damals fand Chris sie. Annie stand ganz nah bei dem schlafenden Kind, ihre Nüstern hatte sie liebevoll in Loris Haar vergraben. Chrispin wusste, wäre Chris kein Mann gewesen, hätte er vor Erleichterung angefangen zu heulen. Seit diesem Tag prangte vor Tangos Box ein schmiedeeisernes Schloss, das jede Nacht versperrt wurde.
Er erreichte das Zimmer, führte Lori langsam zum Bett und legte sie wieder hinein. Er wusste, dass das Mädchen die ganze Zeit über geschlafen hatte. Natalia betrat zögerlich das Zimmer. Als sie sah, dass Chrispin Lori gerade zudeckte, entfuhr ihr ein erleichtertes Wimmern. Er streichelte dem Mädchen noch einmal leicht über das Köpfchen und erhob sich vom Bett.
Dann seufzte er ergeben und trat vor Natalia und umarmte sie tröstend. Sie lehnte sich an ihn und erlaubte sich, ihren Gefühlen freien Lauf zu lassen.
„Ich dachte, ich hätte zum zweiten Mal mein kleines Baby verloren“, wisperte sie an seiner kräftigen Schulter. Betreten schloss Chrispin die Augen und zog sie noch fester in seine Umarmung. Er wollte sie beschützen und nicht andauernd verletzen. Doch er fand nicht die richtigen Worte. Nie. Er war kein redegewandter Mann, sondern ein Cowboy, verdammt noch mal. Ein rauer Geselle!
Keinerlei Worte mächtig neigte er seinen Kopf und versuchte, ihre unbegründeten Schuldgefühle einfach fortzuküssen. Was sollte er sonst tun? Er musste sie vergessen lassen. Dieses Bedürfnis war so übermächtig, so berauschend … es überfuhr ihn wie ein Güterzug.
Überrascht verkrampfte sie sich in seinen Armen. Doch er küsste sie ganz sanft und zärtlich, wollte sich entschuldigen, sie um Verzeihung bitten für all die Jahre des Kummers. Mit seinen rauen Lippen liebkoste er träge ihren seelenwund zusammengepressten Mund. Süß. Entschuldigend. Langsam entspannte sie sich und mit der verzehrenden Sicherheit eines gestandenen Mannes eroberte er ihre nach Tränen schmeckenden Lippen. Vorsichtig bat er um Einlass und schmeckte dort Verzweiflung und unbändige Trauer. Langsam eroberte er sie mit seiner Zunge, die seit so langer Zeit aus der Übung, aber doch so geübt war. Wollte sie kennen lernen. Erneut. Sie besitzen. Ihr seinen Stempel aufdrücken. Dafür, dass er sie nicht vergessen konnte, diese Hexe. Dafür, dass seine Sinne verrückt spielten. Dass sie ihn rasend machte. Ihn, einen Mann, der den größten Teil seines Lebens bereits erlebt hatte. Er wollte sie beschützen und gleichzeitig büßen lassen für all die Empfindungen, denen er nicht mehr Herr wurde, besonders, seit sie wieder in sein Leben gerauscht war. Er legte all seine Energie hinein um ihr Freude zu bereiten, denn das war seine Bestimmung. Sein
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