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Henkerin

Titel: Henkerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Martin
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war, und hielt den Atem an. Nur wenige Schritte von ihr entfernt geboten die Reiter dem Kaufmannszug Einhalt. Das Klirren von Geschirren war zu hören, das Schnaufen zahlreicher Reittiere und ein Gewirr unterschiedlicher Stimmen, aus dem sich schließlich eine erhob.
    »Was wollt Ihr von uns?«, ertönte es in einem fremd anmutenden Singsang, den Melisande noch nie vernommen hatte. Zu gern hätte sie den Kopf gehoben und einen Blick durch das Geäst geworfen, doch sie befürchtete, durch eine unbedachte Bewegung die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.
    »Wir sind im Auftrag des Esslinger Stadtrats unterwegs«, lautete die Antwort. »Wir sind auf der Suche nach zwei Entflohenen. Habt Ihr etwas Verdächtiges bemerkt? Der eine Flüchtling ist ein Weinhändler aus Reutlingen, er hat braune Locken und ist von hoher, schlanker Gestalt. Er ist ein flüchtiger Mörder.« Ein Raunen ging durch die Gruppe der Reisenden, doch der Reiter ließ sich davon nicht ablenken. »Der andere ist klein und mager, hat feuerrotes Haar, das ihm glatt über die Schultern fällt. Er ist stumm und trägt vermutlich die Kleider eines Scharfrichters.«
    Diesmal war das Raunen noch lauter. Die Kaufleute und ihre Knechte redeten wild durcheinander. Dann setzte sich eine Stimme durch. »Männer, hat einer von Euch jemanden gesehen, auf den diese Beschreibung zutrifft?«
    Verneinendes Gemurmel war zu hören. Jemand rief scherzhaft: »Dutzende! Ich habe Dutzende gesehen! Die Landstraße wimmelt nur so von Mördern und Galgenstricken.«
    Dröhnendes Gelächter war zu hören, das jedoch schnell verstummte.
    »Ihr habt doch sicherlich nichts dagegen, dass wir einen Blick auf Eure Wagen werfen?«, fragte der Reiter aus Esslingen. Melisande versuchte, sich zu erinnern, wo sie seine Stimme schon einmal gehört hatte, doch es fiel ihr nicht ein.
    »Ihr habt kein Recht, unsere Wagen zu durchsuchen!«, rief jemand. »Es langt doch, dass Ihr an Eurem Stadttor Eure Nase in jeden Stoffballen und in jedes Salzfass steckt.«
    »Habt Ihr denn etwas zu verbergen, Kaufmann?«, kam es zurück. Jetzt erkannte Melisande die Stimme. Sie gehörte zu einem der jungen Männer, vor denen Adalbert sich im Wirtshaus mit seinen Weibergeschichten gebrüstet hatte. Ihr wurde übel. Dem Kerl wollte sie keinesfalls in die Hände fallen.
    Einer der Kaufleute lenkte ein. »Kommt, zeigen wir den Männern, was wir auf unseren Wagen haben, sonst stehen wir bei Sonnenuntergang immer noch hier.«
    Es gab noch einiges Gebrumm und Gemaule, doch offenbar bekamen die Reiter aus Esslingen zu sehen, was sie sehen wollten.
    Gerade als alles vorbei schien und die Kaufleute schon aufbrechen wollten, ertönte noch einmal die Stimme von Adalberts Saufkumpan. »Was ist denn mit dem Weib, das ich eben gesehen habe? Wo steckt es?«
    Melisandes Herzschlag setzte aus.
    »Weib? Was für ein Weib?«, fragte die Stimme mit dem fremdländischen Singsang. »Wir führen keine Weiber mit uns. Wenn Ihr ein Weib braucht, solltet Ihr bei Euch im Frauenhaus vorbeischauen. Dort gibt es sicherlich Weiber im Überfluss.«
    Die Männer lachten grölend, doch der Bursche ließ sich nicht verunsichern. »Hütet Eure Zunge, Kaufmann!«, sagte er drohend. »Ich habe ein Weib mit einem blauen Gewand und einer weißen Haube gesehen. Hier auf der Landstraße, kurz bevor Euer Zug aufgetaucht ist. Wenn sie nicht zu Euch gehört, dann ist sie allein unterwegs. Weit kann sie nicht gekommen sein. Sie muss noch irgendwo hier stecken.«
    Plötzlich wurde es ganz still. Melisande wusste nicht, ob ihr blaues Kleid womöglich zwischen dem Grün des Schlehdorns hervorblitzte, ob die Männer sie nicht längst erblickt hatten. Sie drückte sich auf den Boden.
    Es dauerte eine Ewigkeit, bis einer der Kaufleute sagte: »Wir haben kein Weib gesehen. Aber es steht Euch frei, die Uferböschung abzusuchen, vielleicht hat sie sich ja vor Euch versteckt. Was wir gut verstehen könnten.«
    Wieder lachten die Männer, und Klatschen war zu hören, als sie sich auf die Schenkel schlugen.
    »Allerdings können wir Euch nicht bei der Suche behilflich sein, denn es ist bereits nach Mittag, und wir haben noch eine lange Wegstrecke vor uns. Wenn Ihr jetzt bitte die Straße freigebt? Oder wollt Ihr uns eine Übernachtung bezahlen?«
    »Kommt, Utz«, ließ sich eine weitere Stimme von Seiten der Esslinger vernehmen. »Lasst uns weiterreiten. Wir haben Dringlicheres zu erledigen, als nach einem verschwundenen Weib zu suchen.«
    Ein unverständliches Gemurmel

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