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Henkerin

Titel: Henkerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Martin
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Remser, Richter Henner Langkoop, Zunftmeister Karl Schedel und Gerold von Türkheim vor dem Schelkopfstor an. Die Männer debattierten aufgeregt. Rasch trat Sempach hinzu. »Was ist geschehen? Warum hat man nach uns geschickt? Dieser dämliche Büttel konnte oder wollte nichts sagen!«
    Unzusammenhängende Gesprächsfetzen drangen an Sempachs Ohr.
    »Diese stumme Missgeburt.«
    »Im Bund mit dem Leibhaftigen.«
    »Elendes Mörderpack, alle beide.«
    Sempach versuchte zu begreifen. Seine Gedanken waren noch träge, und ihm brummte der Schädel. Letzte Nacht hatte er im Frauenhaus ordentlich gefeiert, eine neue Hure war unter den Mädchen gewesen, blutjung und unerfahren – genau das, was ihm gefiel. Als der Büttel ihn eben unsanft aus dem Schlaf gerissen hatte, hatte er sich gerade erst zur Ruhe gelegt. »Was ist denn los?«, fragte er erneut. »Ist schon wieder etwas mit dem Henker?«
    Remser sah ihn an und schnaubte wie ein Schlachtross. »Mit Melchior? Allerdings. Der Reutlinger ist verschwunden. Und der Henker war der Letzte, der ihn besucht hat. Mitten in der Nacht. Die Wachen hätten ihn gar nicht einlassen dürfen.« Er warf einen wütenden Blick zum Eingang des Tores, wo der Kerkermeister mit seinen beiden Männern stand. Alle drei hatten den Blick verängstigt auf ihre Schuhspitzen gerichtet.
    »Verdammt«, stieß Sempach hervor. Plötzlich war er nüchtern und hellwach. »Hat ihn schon jemand befragt?«
    »Noch nicht«, erwiderte Karl Schedel. »Wir wollten gerade den Büttel nach ihm schicken.«
    »Ich werde den Büttel begleiten«, entschied Sempach. »Sicher ist sicher.«
    »Sempach hat recht«, pflichtete Henner Langkoop bei. »Ich gehe ebenfalls mit.«
    »Also gut«, entschied Remser. »Dann gehen wir alle gemeinsam.«
    Als sie vor dem Haus des Henkers angekommen waren, wies Remser einen der Büttel an zu klopfen. Der trat vor und hämmerte mit der Faust gegen die Tür.
    Im Haus rührte sich nichts.
    Erneut klopfte der Büttel. »Melchior, mach auf, der Schultheiß wünscht dich zu sprechen!«
    Wieder blieb alles ruhig.
    »Aufbrechen!«, befahl Remser nach kurzem Zögern. Er war außer Atem, und sein Gesicht glühte rot.
    »Vielleicht sollten wir zunächst bei den Henkersknechten nachsehen?«, schlug Karl Schedel vor. »Es ist doch möglich, dass Melchior bei der Arbeit ist, schließlich hat er viele Pflichten. Wir sollten keinen unnötigen Schaden anrichten.«
    Gerold von Türkheim schlug mit seinem Gehstock auf den Boden. Obwohl er zwei Jahrzehnte älter war als Remser, hatte ihn der lange Marsch durch die Stadt offenbar kaum Kraft gekostet. »Schaden, Schaden«, äffte er Schedel nach. »Wir haben wirklich andere Sorgen, als uns darüber Gedanken zu machen, ob wir die Haustür des Henkerhauses beschädigen könnten. Los, Büttel, verschaff dir Einlass, und sieh nach, ob du eine Spur von diesem stummen Teufelsbraten findest!«
    Nach einem Blick zu Remser holte der Büttel aus. Zwei kräftige Tritte, und das Holz gab ächzend nach. Krachend stürzte die Tür ins Innere.
    »Los! Nachsehen!«, befahl von Türkheim.
    »Aber«, stotterte der Büttel. »Das Haus ist unrein.«
    »Für wen hältst du dich? Für einen vornehmen Grafen vielleicht? Willst du etwa, dass ich nachsehe?«, keifte von Türkheim. »Rein mit dir, Bürschchen! Und überall gründlich nachsehen! Wird’s bald?« Fordernd zeigte er mit seinem Gehstock auf den zweiten Büttel, der mit hängenden Schultern an der Hausecke stand. »Du auch! Durchsuch das Haus!«
    Während die beiden mit bangen Mienen im Inneren verschwanden, warteten die Ratsherren in sicherem Abstand. Sempach ertappte sich zwar bei dem Gedanken, dass er nur allzu gern einmal einen Blick in das Haus geworfen hätte, denn Melchior hütete bestimmt so manch finsteres Geheimnis. Doch keine zehn Pferde hätten ihn über die Schwelle gebracht. Allein die Vorstellung ließ ihn schaudern.
    Endlich tauchten die beiden Büttel wieder auf. »Keine Spur von Melchior«, sagte der, der die Tür aufgebrochen hatte. »Auch sonst ist niemand im Haus.«
    »Dieser verfluchte Ketzer!« Remsers Gesichtsfarbe verdunkelte sich noch mehr. »Er hat dem Reutlinger zur Flucht verholfen.«
    »Aber warum sollte er das getan haben?«, wollte Karl Schedel wissen. Im Gegensatz zu Remser war er blass geworden und sah immer wieder zu der aufgebrochenen Tür hin.
    »Um seine eigene Haut zu retten«, erklärte Sempach ruhig. Auf einmal war ihm alles klar. »Melchior hat die Metze sterben lassen. Deshalb

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