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Henkerin

Titel: Henkerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Martin
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doch Sonntag. Der Tag des Herrn. Haben die Geschäfte nicht bis morgen früh Zeit?« Othilia trat hinter de Bruce und schlang die Arme um ihn. Sie trug nichts am Leib außer der weißen Haube, die sie als verheiratete Frau auswies.
    Unter anderen Umständen hätte de Bruce der Verlockung nicht widerstanden, doch ihm stand nicht der Sinn nach Weibern. Zudem stieß ihn Othilias unkeusches Gebaren ab. Frauen, die so bereitwillig ihre Schenkel öffneten, widerten ihn an. Viel reizvoller war es, wenn er sie mit Gewalt nehmen musste, wenn sie vor Angst wimmerten. Aber Othilia war nicht die sittsame Gemahlin, die er erwartet hatte. Ganz im Gegenteil. Wenn er nicht mit eigenen Augen gesehen hätte, dass sie in der Hochzeitsnacht noch Jungfrau gewesen war, hätte er sie wegen Hurerei mit Schimpf und Schande zurück zu ihren Eltern geschickt.
    »Nun, Liebster, was ist? Gefalle ich dir nicht?« Othilia ließ ihn los, trat vor ihn und strich sich mit den Fingerspitzen aufreizend über ihre kleinen, festen Brüste, ließ die Hand zwischen ihre Schenkel gleiten.
    De Bruce packte sie am Arm und schleuderte sie in Richtung Tür. »Jetzt nicht, habe ich gesagt! Verschwinde, mach schon, du dumme Gans!«
    Othilia verzog beleidigt das Gesicht, schüttelte die schwarzen Locken und lief zur Tür, wo sie sich noch einmal umdrehte. »Ich warte auf dich«, flüsterte sie, dann verschwand sie im Schlafgemach.
    Ärgerlich stapfte de Bruce in die entgegengesetzte Richtung. Er polterte die Treppe hinunter und verließ den Palas. In einem Anbau befand sich der Zugang zum Weinkeller, zu dem nur er und sein Kellermeister einen Schlüssel besaßen. Er fingerte kurz am Schloss herum, seine Hände bebten noch immer vor Wut, dann klickte es, und er trat ins Innere. De Bruce entzündete eine Fackel, bevor er die Tür sorgsam hinter sich schloss. Er atmete ein paarmal tief ein und aus. Endlich Ruhe. Ruhe vor dem Ärger, den dieser Reutlinger Karcher ihm bereitete, Ruhe vor seinem Gesinde, das ihm ständig vor den Füßen herumlief, ihn betrog und sich ins Hemd machte, wenn er seine Stimme erhob. Und vor allem Ruhe vor Othilia, diesem mannstollen Ungeheuer.
    Langsam kletterte er die Stiege hinab, bis er in dem langgestreckten Kellerraum stand, in dem die riesigen Weinfässer lagerten. Zärtlich strich er über die Maserung, klopfte behutsam, so als könnten die Fässer durch seine Berührung platzen. Er legte seine Hand auf das Holz und seufzte tief. Unglaublich, was für Mengen von Geld man scheffeln konnte, wenn man sich im Weinhandel geschickt anstellte. Und vor allem, wenn man bei der Beschaffenheit der Ware ein wenig nachhalf.
    Mit zwei Dutzend langen Schritten durchmaß er den Keller, bis er eine weitere, mit schweren Eisenbeschlägen versehene Tür erreichte, zu der nicht einmal der Kellermeister einen Schlüssel besaß. Niemand außer ihm trat je durch diese Tür. Hinter ihr verbarg sich sein Allerheiligstes. Seine Schatzkammer, seine Alchemistenwerkstatt, in der er aus einfachem Rebensaft flüssiges Gold machte.
***
    »Mechthild!«
    Melisande verstand nicht, wem der Ruf galt. Wer war Mechthild? Sie richtete sich auf. Das Stroh, auf dem sie lag, knisterte.
    »Mechthild, die Sonne geht gleich auf, der Morgen graut schon. Du musst aufstehen.«
    Melisande erinnerte sich. Mechthild, die Magd, das war sie selbst. »Ich komme sofort, Ida.« Sie streckte ihre Glieder. Tief und fest geschlafen hatte sie, kein Albtraum hatte sie verfolgt. Sie spitzte durch einen Spalt im Fensterladen und sah einen roten Streifen am Horizont. Vor dem Wintereinbruch musste sie den Laden abdichten, sonst würde sie erbärmlich frieren, wenn der eisige Wind hindurchfegte.
    Das Regenwetter war endlich weitergezogen, der Tag würde sonnig werden und trocken. Sie holte tief Luft, alle Angst, alles Leid und alle Mühsal schienen seltsam weit entfernt.
    Auch wenn sie in den letzten zwei Tagen hart geschuftet hatte, Hermann zur Hand gegangen war und Tierhäute abgeschabt hatte, bis ihr die Arme gebrannt hatten. Auch wenn ihr beim Brotbacken die Augen getränt hatten vom Rauch und die Ziege sie beim Melken ständig gestoßen hatte, sodass sie von blauen Flecken an Armen und Beinen nur so übersät war. Melisande fühlte so etwas wie Frieden.
    Alles, was sie getan hatte, war gut gewesen, hatte einen Sinn gehabt. Und es hatte nicht darin bestanden, ihre Mitmenschen zu quälen. Erst jetzt wurde ihr allmählich klar, welch ungeheure Last auf ihre Seele gedrückt hatte. Viel zu oft hatte

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