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Henkerin

Titel: Henkerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Martin
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Engellin. Ich war so überrascht, Euch zu sehen. Ich vermutete Euch im Klosterhof bei der Zeremonie.«
    Sie lächelte. »Ich wollte sehen, wie es Euch geht.«
    »Mir geht es bestens«, versicherte er rasch. Er warf einen Blick zu Antonius, der demonstrativ in eine andere Richtung blickte. Niemand sonst belauschte ihr Gespräch, alle, die vor ihnen auf der Straße standen, wandten ihnen den Rücken zu und reckten sich, um mitzubekommen, was auf dem Klosterhof vor sich ging.
    »Das freut mich, Wendel.« Wieder lächelte sie und sah ihn erwartungsvoll an.
    Wendel fuhr sich nervös mit den Fingern durch das Haar. Es war das erste Mal, dass er mit ihr allein war, sofern man die Menschenmenge nicht zählte. Worüber sollte er mit ihr reden? Über Geschäfte? Die Weinlese? Den Ablauf der Wahlen? Schon in Gesellschaft fiel ihm nie etwas Passendes ein. Stets hatte er das Gefühl, seine Braut zu langweilen, und wenn er ehrlich war, langweilte er sich selbst ebenso. »Geht Ihr nachher zum Tanz?«, fragte er schließlich.
    Sie nickte, ein Leuchten huschte über ihr Gesicht. »Ja. Ich werde dort sein.«
    Wieder dieser Blick. Wendel begann zu schwitzen. »Leider werde ich nicht kommen können.«
    Enttäuscht verzog sie den Mund. »Wegen Eurer Füße? Ihr lauft doch schon leidlich gut. Außerdem müsst Ihr ja nicht jeden Tanz mitmachen.«
    »Es ist nicht wegen der Füße«, erklärte Wendel rasch. Es war ihm peinlich, dass er immer noch humpelte. »Ich – ich muss noch arbeiten.«
    »Arbeiten? Am Schwörtag? Niemand arbeitet heute!«
    Wendel zuckte mit den Schultern.
    Offenbar deutete Engellin dies als Missbilligung, denn sie senkte rasch den Kopf. »Ich verstehe«, sagte sie leise. »Dann sehen wir uns am nächsten Sonntag zum Essen?«
    »Ja, sicher.«
    Sie knickste und wandte sich zum Gehen.
    Wendel blickte ihr ratlos hinterher. Er hatte Engellin verärgert, aber wie? Er fing Antonius’ Blick auf. »Was ist?«, fragte er den Älteren. »Sag schon!«
    Antonius lächelte. »Es ist nicht immer leicht, sie zu verstehen, Herr.«
    »Weise gesprochen, mein lieber Antonius.« Er klopfte seinem Leibwächter, der ihn um einen halben Kopf überragte, auf die Schulter. »Komm, wir gehen ins Haus. Ich weiß, wo ein Krug kühler Wein steht. Den lassen wir uns munden.«
***
    Hermann legte Melisande die Hand auf die Schulter. »Gut gemacht, Mechthild!«, sagte er und begutachtete erneut das Kaninchenfell. Er rieb es zwischen den Fingern, kein einziges Haar löste sich; er knetete und knitterte es, und jedes Mal fiel es wieder weich und seidig glänzend über seine Hand.
    Melisande spürte Stolz wie schon lange nicht mehr.
    »Das Fell bringt bestimmt einen guten Preis«, ergänzte er, schaute Melisande in die Augen und dann zu Boden. »Gut, dass du hiergeblieben bist.« Er drehte sich rasch um und verschwand im Haus.
    Melisandes Herz machte einen Sprung. Das zuzugeben war ihm sicherlich sehr schwergefallen. Sonst zeigte Hermann kaum Gefühle, und ein Lob ging ihm so gut wie nie über die Lippen. Sie ließ den Blick wandern. Ein gelblicher Hauch lag über den Wäldern, die Tage waren merklich kürzer, denn der August neigte sich schon dem Ende zu. Hart hatten sie gearbeitet, um die Schäden, die die Bande des Ritters von Säckingen angerichtet hatte, wieder in Ordnung zu bringen. Und sie hatten es geschafft. Wenn der Herbst so wurde, wie der Sommer zu Ende ging, brauchten sie vor dem Winter keine Angst zu haben.
    Melisande seufzte. Ida und Hermann sprachen jetzt immer von »uns dreien«, und Ida hatte bereits angekündigt, dass man für Mechthild einen tüchtigen Gatten finden werde, der ebenfalls auf dem Hof mit anpackte. Vielleicht konnte man einen Teil der Gebäude wieder aufbauen? Mehr Vieh anschaffen und die Felder bebauen? Land gab es genug und gutes Wasser auch. Der Gedanke gefiel Melisande. Ein neues Zuhause, ein anständiger Mann, Kinder, Familie. Und doch fiel ein Schatten über ihr Gemüt, wann immer sie sich das vorstellte. Der Gedanke, der ihr zum ersten Mal bei von Säckingens brutalem Überfall gekommen war, hatte sich immer tiefer in ihr Herz gegraben. Und er ließ sich nicht mit einem friedlichen Leben auf dem Fronhof vereinbaren.
    Sie beschloss, nicht weiter zu grübeln. Heute ging es erst einmal nach Hülben. Sie liebte die Ausflüge in das kleine Dorf, auf denen sie Schinken, Schmalz und Hafer erwarben. Einige Male waren Ida und sie auch mit Hermann auf dem Markt in Urach gewesen. Zwar wurde gelegentlich hinter ihrem Rücken

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