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Henkerin

Titel: Henkerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Martin
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antwortete nicht.
    Sein Lächeln wurde breiter. »Egal, ob Melchior oder Melisande, eins müsst Ihr mir erklären: Warum habt Ihr mich nicht getötet, als ich wehrlos vor Euch kniete?«
    Sie blickte ihm fest in die Augen. »Weil ich nicht so ein feiger Mörder bin, wie Ihr einer seid.« Ihre Stimme war immer noch heiser, doch sie klang laut und furchtlos.
    Er schüttelte den Kopf. »Na, na. Was für ein dummes Kind Ihr doch seid! Ihr mögt nun im Körper einer Frau stecken, Melisande Wilhelmis, doch Ihr redet immer noch wie ein kleines Mädchen. Das Leben ist ein Kampf, das solltet Ihr doch am besten wissen. Es gilt nur eins: fressen oder gefressen werden. Ihr hattet die Gelegenheit, mich zu fressen. Ihr habt sie verstreichen lassen. Jetzt werde ich Euch verschlingen, und zwar mit Haut und Haaren.« Er befeuchtete seine Lippen mit der Zunge. »Ich kann es kaum erwarten, denn ich bin sicher, dass Ihr köstlich munden werdet.«
    Melisande warf einen raschen Blick auf das Schwert, das neben ihr im Gras lag. Sie wusste, dass sie kaum eine Aussicht gegen einen erfahrenen Krieger wie de Bruce hatte, doch sie würde sich nicht kampflos ergeben.
    Er hatte ihre Gedanken offenbar erraten. »Macht schon, Melisande! Schnappt Euch das Schwert. Ihr würdet mich tödlich beleidigen, wenn ihr Euch ohne Gegenwehr ergeben würdet. Außerdem haben wir noch einen Kampf auszutragen, wenn ich mich recht erinnere. Damals wurden wir jäh unterbrochen.«
    Ohne zu zögern, bückte sich Melisande und griff nach der Waffe.
    Ottmar de Bruce grinste. »Was für ein Anblick! Ich wünschte, ich könnte Euch malen lassen, so, wie Ihr jetzt vor mir steht, bevor ich Euch in die Hölle befördere.«
    Melisande kniff die Augen zusammen, entschlossen, ihn ihre Angst nicht spüren zu lassen. »Wir werden noch sehen, wer hier wen in die Hölle befördert.«
    »Starke Worte. Dann wollen wir doch mal herausfinden, ob Eure Arme ebenso stark sind wie Eure Zunge.« Er trat mit erhobener Waffe auf sie zu.
    Sie parierte seinen Schlag, erkannte, dass er nicht Herr seiner Kräfte war. Die Haft hatte ihn wohl mehr geschwächt, als er sich eingestehen wollte. Sie duckte sich und vollführte eine halbe Drehung. Ihre Wendigkeit war ihr einziger Vorteil. Den musste sie nutzen, bevor er erneut zum Angriff übergehen konnte. Ihr Hieb hatte ihn am Hals geritzt. Er schien überrascht und taumelte rückwärts. Blut sickerte aus einer Wunde unter seinem Kinn. Doch er war nur leicht verletzt.
    Bevor er sich von seinem Schreck erholt hatte, stieß sie nach. Er trug keine Rüstung, nur ein Gewand aus glänzendem Samt, und sie erwischte ihn an der Seite, ein Stück oberhalb der Hüfte. Er schrie auf, doch es gelang ihm, ihr mit einer blitzschnellen Bewegung das Schwert aus der Hand zu schlagen.
    Sie stolperte ein paar Schritte nach hinten, war sicher, dass sie verloren war. Ohne Waffe hatte sie de Bruce nichts mehr entgegenzusetzen.
    Keuchend wankte er auf sie zu. Sein Gesicht war verzerrt. Erst dachte sie, es sei die Wut, doch dann wurde ihr klar, dass er große Schmerzen hatte. Das samtene Gewand war an der verletzten Seite blutdurchtränkt. Er hieb auf sie ein, doch seine Bewegungen waren langsam und unkoordiniert. Sie hatte keine Schwierigkeiten, ihm auszuweichen. Sein nächster Hieb ging in den Baumstamm, hinter den sie sich geduckt hatte. Er brauchte einen Moment, um die Waffe aus dem Holz zu ziehen, und Melisande nutzte die Gelegenheit, ihr Schwert aufzuheben. Als sie sich zu de Bruce umdrehte, kniete er am Boden und stöhnte. Ein schmaler Blutfaden lief ihm aus dem Mundwinkel über das Kinn.
    Sie ließ das Schwert sinken und stellte sich vor ihn.
    »Du verfluchte Hexe!«, gurgelte er. »Fahr zur Hölle, Melisande Wilhelmis.«
    »Ich glaube, Ihr seid es, der dort bereits erwartet wird, Ottmar de Bruce«, erwiderte sie ruhig. »Ich wollte Euch nicht töten. Nicht mehr. Mein Hass war erkaltet, als Ihr vor mir unter dem Richtschwert knietet. Ihr selbst habt darauf bestanden, durch meine Hand zu sterben.«
    De Bruce röchelte.
    »Unser beider Schicksal ist erfüllt«, fuhr Melisande fort. »Nun müsst Ihr Euch vor Gott für Eure Taten verantworten. Möge er Eurer Seele gnädig sein.«
    Ein Hase tauchte am Rand der Lichtung auf, schnupperte und hoppelte an Melisande vorbei. Ottmar de Bruce’ Augen brachen, er kippte nach hinten, blieb leblos auf dem Rücken liegen.
    Melisande blieb einige Minuten schweigend vor ihm stehen, dann kniete sie nieder, nahm das Kruzifix, das sie um

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