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Henkerin

Titel: Henkerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Martin
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leeren Kisten kümmerte.
    Der Wagen rumpelte über den Weg, bei jedem Schlagloch stieß Melisande gegen das Holz. Erinnerungen stiegen in ihr auf; erst gestern war sie auf ganz ähnliche Art unterwegs gewesen. Erst gestern? Es schien ihr so lange her, als sei es in einem anderen Leben gewesen, in einem Leben, in dem sie die Tochter eines reichen Kaufmanns war und sich um nichts weiter Sorgen machen musste als um ihre kleine Schwester, die ihr wie ein Hündchen ständig hinterherlief, und die langweiligen Psalmen, die sie für den Magister übersetzen musste.
    Tränen schossen ihr in die Augen. Was hätte sie jetzt für eine Lateinstunde gegeben! Oder für Gertruds weinerliche Stimme: »Wohin gehst du, Mel? Nimm mich mit. Ich will auch in den Wald!«
***
    Von Säckingen hatte keine Mühe, Bruder Eusebius auf der Landstraße nach Stuttgart aufzuspüren. Kurz zuvor war ihm ein Fuhrwerk entgegengekommen, dessen Besitzer unermüdlich vor sich hin fluchte. Dumme Holzhändler hatten es ihm offenbar besonders angetan, wie von Säckingen aus den Wortfetzen schloss, die zu ihm herüberflogen.
    Der Franziskaner wanderte einsam am Fluss entlang, einen Stab in der Rechten, ein Bündel über der Schulter. Von Säckingen saß ab, nahm sein Pferd beim Zügel. »Darf ich Euch ein wenig Gesellschaft leisten, frommer Bruder?«
    »Aber gern. Nur zu.« Der Gottesmann war sichtlich erfreut.
    Es war noch leichter, als von Säckingen erwartet hatte, das Vertrauen des Mönchs zu gewinnen. Unermüdlich erzählte dieser vom Klosterleben, dass es hart sei, aber der einzig wahre Weg zu Gott, dass das Schicksal seltsame Prüfungen bereithielt und dass er allen Versuchungen in seinem Leben widerstanden habe. »Allen!«, betonte er immer wieder. »Allen!«
    Von Säckingen begriff schnell, dass der Mann neben ihm ein schlechtes Gewissen hatte. Jetzt galt es herauszufinden, was die Seele des Mönchleins drückte. »Ein gottesfürchtiges Leben ist beschwerlich und voller Entbehrungen«, sagte er verständnisvoll. »Und die Verlockungen, die der Teufel uns schickt, sind mannigfaltig.«
    »In der Tat.« Der Mönch bekreuzigte sich.
    »Vor allem, wenn sie uns in Gestalt eines Weibes begegnen«, fuhr von Säckingen fort. Er reichte dem Mönch den Weinschlauch.
    Der trank gierig, was seine Zunge löste. »Edler Herr, Ihr könnt mich gut verstehen, Ihr seid ein gerechter Mann, nicht wahr?«
    Von Säckingen lächelte milde, nickte und legte mit väterlicher Geste einen Arm um die Schulter des Gottesmannes. »Sind wir nicht beide Männer, Ihr genauso wie ich? Sind wir nicht von Gott auserkoren, über die Weiber zu herrschen, da sie schwach sind und von Geburt an sündig?«
    »So steht es geschrieben, amen.«
    »Und haben die Männer Gottes nicht in jeder Hinsicht besondere Verantwortung?«
    »Wie weise Ihr sprecht. Seid Ihr vielleicht ein ehemaliger Bruder, der sich dem Heer Gottes angeschlossen hat?«
    Von Säckingen log, ohne zu zögern. »Ihr habt mich erkannt, Bruder.« Er drückte die schmale Schulter des Mönchs. »Ich hieß Thomas, und der Herr gab mir schwere Aufgaben und prüfte meine Standhaftigkeit ein ums andere Mal. Eines Tages ...« Von Säckingen brach ab und blieb stehen. »Ihr werdet mich verachten.«
    Eusebius lächelte milde und ergriff von Säckingens Hände. »Niemals. Die Gnade des Herrn ist grenzenlos. Erzählt!«
    »Sie war so jung. So unschuldig. So rein.«
    Eusebius wurde bleich wie frische Milch. Er schluckte mehrmals hart.
    »Seht Ihr? Jetzt verabscheut Ihr mich.« Von Säckingen machte sich los, trat einen Schritt zurück und drehte sich um, aber Eusebius kam hinter ihm her und legte seine Hände auf die breiten Schultern von Säckingens.
    »Ich kann Euch gut verstehen. Wirklich.«
    Langsam drehte sich von Säckingen um. Mit Mühe hatte er sich ein paar Tränen aus den Augen gedrückt. »Das glaube ich nicht. Das sagt Ihr nur, um mich zu trösten.«
    Eusebius holte tief Luft. »Manchmal sind die Wege des Herrn nicht zu durchschauen. Hört mir gut zu: Gestern bin ich in der Nähe eines Hohlwegs gewandert, von den Fildern her, in Kontemplation und Gebet vertieft. Da kreuzte ein Mädchen meinen Weg. Ganz verwirrt war sie, rempelte mich beinahe an, weil sie sich ständig umsah. Ich hielt sie fest, damit sie nicht stürzte, sie war ganz schwach auf den Beinen. Wir ließen uns nieder, damit sie verschnaufen konnte. Ihr warmer zarter Körper zitterte, sie klammerte sich an mich und fing an zu schluchzen. Ich habe ihr tröstende Worte

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