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Henkerin

Titel: Henkerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Martin
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zugesprochen, ich streichelte ihr rotes Haar. Es gefiel ihr, sie hörte auf zu zittern, ich fühlte unter ihrem Gewand ihre aufblühende Weiblichkeit. Da erschien mir Maria und sprach, ich solle das Mädchen nehmen, Gott wolle es. Was hätte ich tun sollen?«
    »Gottes Wille ist unser Wille.«
    Der Mönch bekreuzigte sich. »Jetzt und immerdar.« Er räusperte sich. »Sie wusste, dass sie einem Diener Gottes absoluten Gehorsam schuldete, und fügte sich stumm in ihr Schicksal. Aber dann, ganz plötzlich, hat sie angefangen, sich aufzulehnen ... Was soll ich sagen? Der Stein lag bereit, Gott hatte ihn dort hingelegt, denn er ist allwissend und allmächtig.«
    »Amen!«, murmelte von Säckingen, bemüht, sein Triumphgefühl zu unterdrücken. Wie leicht war es gewesen, diesem frömmelnden Einfaltspinsel ein Geständnis zu entlocken!
    »Amen«, echote der Mönch.
    »Habt Ihr sie begraben?«
    Eusebius’ Augen glänzten wie im Fieber. »Ja, das habe ich. Niemand soll wissen, wo sie liegt. Ihre Seele ist wahrscheinlich schon in die Hölle eingefahren. Wie furchtbar!«
    »Furchtbar, allerdings. Das Mädchen muss eine Hexe gewesen sein. Wie sonst hätte sie sich dem Willen Gottes widersetzen können? Sagtet Ihr nicht, ihr Haar sei von roter Farbe gewesen? Sie war eine Dienerin des Teufels, daran besteht kein Zweifel. Ich bewundere Eure Festigkeit im Glauben und Euren Mut.«
    Eusebius zuckte zusammen. »Bei Gott, dem Allmächtigen. Ihr habt recht. Das Mädchen muss eine Hexe gewesen sein«, wiederholte er. Seine Stimme krächzte, die Wirkung des Weins schien etwas nachzulassen. »Sie muss brennen! Ich muss sie verbrennen!«
    »Wahrhaftig! So soll es geschehen. Bitte erlaubt mir, Euch zu helfen. Und habt Dank.« Von Säckingen umarmte Eusebius, der die Umarmung überrascht, aber herzlich erwiderte. »Ihr habt mich von einer schweren Gewissenslast befreit. Denn bei mir war es ganz ähnlich.« Sein Puls raste. Kein Wunder, dass sie Melisande Wilhelmis nicht gefunden hatten!
***
    Melisande schreckte hoch. Sie waren stehen geblieben, Stimmen bellten, jemand sprang auf den Wagen, das Holz ächzte unter seinen Schritten. Rasch duckte sie sich tiefer in die Kiste. Bestimmt wurden jetzt die Fässer entladen.
    »Und was ist da hinten in den Kisten?«, fragte jemand in barschem Ton.
    »Die sind leer, darin soll ich die Einkäufe für meinen Herrn verstauen.«
    »Leer. So, so.« Das Knarren näherte sich.
    Melisande hielt den Atem an. Das Stadttor von Esslingen. Warum hatte sie nicht daran gedacht? Trotz der sengenden Hitze fing sie an zu zittern. Wäre sie doch nur in der Höhle geblieben! Wie hatte sie nur so dumm sein können!
    Laute Schreie ließen sie erstarren. »Heda! Halt ein! Haltet den Schurken!«
    Plötzlich waren viele Stimmen zu hören. Der Karren wankte, eine Frau kreischte. Offenbar war draußen ein Dieb auf frischer Tat ertappt worden.
    Melisande hob vorsichtig den Kopf. Vielleicht war das die Gelegenheit zu fliehen. Doch noch bevor sie den Deckel hochdrücken und einen Blick über den Rand der Kiste wagen konnte, ruckte der Karren und setzte sich in Bewegung. Der Fuhrmann nutzte wohl die Gunst der Stunde, um seine Reise unkontrolliert fortzusetzen. Womöglich hatte er selbst die Aufmerksamkeit auf den vermeintlichen Dieb gelenkt, weil sich irgendetwas auf der Ladefläche des Karrens befand, das niemand finden sollte. Wenn der Kerl wüsste, dass er eine weitere, viel kostbarere Fracht in die Stadt schmuggelte, eine, für die er auf der Adlerburg eine fette Belohnung kassieren könnte!
    In halsbrecherischem Tempo ging es in die Stadt hinein. Melisande schlug mehrmals unsanft mit dem Kopf gegen den Kistenrand, doch sie wagte es nicht, sich wieder auf dem Boden zusammenzurollen.
    Schließlich hielt der Karren. Holz schlug auf Holz. Fässer rumpelten von der Ladefläche herunter. Jemand brüllte Befehle, ein anderer gab murrend Antwort. Melisande schlug das Herz bis in den Hals. Bald war es so weit.
    Die Stimmen entfernten sich vom Wagen. Ruhe kehrte ein. Melisande wartete noch eine Weile, dann hob sie vorsichtig den Deckel der Kiste an. Alle Fässer waren verschwunden, bis auf die wenigen leeren Kisten war die Ladefläche des Karrens leer. Er stand auf einem Hof, der bis auf ein paar Hühner verlassen schien. Aus einem angrenzenden Gebäude waren dumpfe Laute zu hören.
    Melisande rieb sich die Beine, in die langsam das Gefühl zurückkehrte. Mit den Händen zog sie sich hoch, rutschte jedoch gleich wieder weg. Das lange

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