Henkersmahl
begnügen, danke Mutter. Die Linie.« Florian schluckte.
»Willst du nicht wenigstens einmal probieren?«
»Nein, wirklich nicht.« Florian nahm sich fest vor, im Kampf gegen die Pfunde nun endlich auch mit dem Joggen zu beginnen.
Seine Mutter breitete ihre Serviette auf ihrem Schoß aus. Florian spürte, dass etwas nicht stimmte, sah von seiner Gabel und dem Stückchen Roastbeef auf, das er sich gerade in den Mund schieben wollte, und sagte schuldbewusst: »Sorry.« Er schickte sich umständlich an, seine Serviette ebenfalls auf dem Schoß zu platzieren. »Ich lerne es einfach nicht.«
Marie-Louise Halstaff goss sich ungerührt noch etwas Sauce über ihr Fleisch. Während sie sich ganz auf die Bewegung konzentrierte, veränderte sich ihr Gesichtsausdruck. Sie zog die dunkel nachgezogenen Augenbrauen zusammen und sinnierte. »Für mich wäre es fatal, wenn ich krank werden würde, denn ich werde nächste Woche wieder drehen.« Gespannt, wie er auf diese Mitteilung reagieren würde, beobachtete sie ihren Sohn.
»Tatsächlich? Ich freue mich für dich. Was denn?« Florians Augen weiteten sich. Er fand die Nachricht fantastisch. Seine Mutter hatte sich lange genug hauptsächlich mit ihrem Aussehen beschäftigt und war in den letzten Monaten mehr auf Filmbällen denn in Filmen zu sehen gewesen. Alternde Schauspielerinnen waren einfach nicht mehr so gefragt, auch wenn sie einmal große Stars gewesen waren.
»Einen Fernsehfilm«, antwortete Marie-Louise. »Ich spiele eine Ehefrau, die nach 20 Ehejahren feststellt, dass ihr Mann ein Verhältnis hat. Mit einem Mann.«
»Auch schön.« Florian legte sein Besteck auf den Teller und lehnte sich zurück. »Hast du das Gefühl, es könnte hilfreich sein, dass du als Ehefrau völlig unerfahren bist?« Die bissige Ironie seiner Frage war nicht zu überhören gewesen.
Marie-Louise drehte das Glas zwischen ihren Händen. »Ach was. Aber ich kann mir gut vorstellen, wie grässlich es sein muss, mit einem Mann zusammenzuwohnen.«
»Ja, du.« Florian machte eine wegwerfende Handbewegung und sagte: »Aber ich will mich nicht schon wieder aufregen.«
Seine Mutter hob den Kopf: »Das ist auch besser so.« Vorwurfsvoll fügte sie hinzu: »Wir haben das Thema doch schon 1.000 Mal diskutiert.«
»Trotzdem will ich wissen, wer mein Vater ist.« Florians Stimme war lauter geworden.
Marie-Louise sah ihn mit großen Augen an, schwieg aber einen Moment, bevor sie erwiderte: »Ich finde, wir sollten das Thema nun endlich ad acta legen.« Sie seufzte. »Wie oft soll ich dir noch sagen, dass die Romanze, die ich mit deinem Vater hatte, nur von kurzer Dauer war. Er war ein Frauenheld, unzuverlässig und nicht mal besonders klug.«
»Das hast du mir zigmal erzählt«, versetzte Florian.
»Du könntest ihn vermutlich nicht ausstehen«, sagte seine Mutter und ergänzte mit Nachdruck: »Ich bin davon überzeugt.«
»Mein Urteil über ihn würde ich mir gern selbst bilden. Ich hoffe, dass ich irgendwann noch einmal die Gelegenheit dazu haben werde.« Florian setzte das Glas an die Lippen und leerte es in einem Zug. Voller Unbehagen dachte er an das letzte Gespräch mit seiner Therapeutin, die er zweimal wöchentlich aufsuchte, seit Katharina ihn verlassen hatte. Beim letzten Gespräch hatte ihn die Ahnung erfasst, dass es einen Zusammenhang zwischen seiner Sehnsucht nach dem Vater und seiner Unfähigkeit, eine Beziehung zu führen, geben könnte. Florian runzelte die Stirn. Freitag hatte er den nächsten Termin.
»Mit der Tatsache, dass er dich gezeugt hat, hat er seine Vaterpflichten meines Erachtens ausreichend erfüllt, oder hast du ihn etwa vermisst?« Marie-Louises Augen sprühten Funken.
»Nicht oft. Aber hin und wieder habe ich mir auf jeden Fall einen Vater gewünscht«, sagte Florian. Er dachte an früher. Die Väter im Fernsehen hatten für ihre Söhne Seifenkisten gebaut, waren mit ihnen angeln gegangen oder hatten ihnen gezeigt, wie man einen Drachen steigen lässt. Dinge, die Florian mit der Mutter nicht machen konnte, denn sie war häufig wegen Dreharbeiten außer Haus gewesen. Außerdem kann eine Mutter einen Vater einfach nicht ersetzen, dachte er.
Anna kam herein und fragte, ob sie mit dem Essen fertig seien. Sie war nicht sehr erfreut darüber, dass so viel übrig geblieben war.
Florian war dankbar für die Unterbrechung, denn er merkte, dass das Thema ihm mehr unter die Haut ging, als ihm lieb war.
Als emanzipierte Frau hatte seine Mutter irgendwann einmal die
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