Henkersmahl
und über ihrem Hinterteil zu einer ordentlichen Schleife gebunden war. Er dachte, dass ihr Elan offensichtlich völlig ungebrochen war. Soviel er von seiner Mutter wusste, führte sie den Haushalt wie eh und je in Dragonermanier. Jetzt brummte sie Florian über die Schulter an: »Es gibt dein Lieblingsgericht.«
Florian rief ihr hinterher: »Doch nicht etwa rheinischen Sauerbraten?«
Anna blieb stehen und knurrte: »Nein.«
»Rievkoche?«
»Nein.«
Florian musste lachen. »Komm, sag schon, was ist es denn?«
»Roastbeef.« Mit etwas weicherer Stimme fügte sie hinzu: »Aber das Bratenthermometer wartet, ich muss nachsehen, ob die Temperatur stimmt.« Abrupt drehte sie sich um und lief eilig in die Küche.
Florian wusste ganz genau, dass Anna alles tat, um zu verhindern, dass seine Mutter ihm mit ihrem Sauerbraten oder ihren Reibekuchen den Appetit verdarb, und er war ihr dafür sehr dankbar. Marie-Louise Halstaff hatte nie Kochen gelernt und würde es auch nie mehr lernen. Sie selbst glaubte natürlich, sie sei eine hervorragende Köchin und ließ es sich daher nicht nehmen, hin und wieder für die besten Freunde oder ihren Sohn persönlich ein Essen, oft etwas typisch Kölsches, zuzubereiten. Bis heute hatte es niemand übers Herz gebracht, seiner Mutter in aller Deutlichkeit zu sagen, dass ihr rheinischer Sauerbraten und ihre Rievkoche, immerhin ihre favorisierten Gerichte, einfach scheußlich waren. Im Hintergrund hörte er ihre Stimme. »Bist du es, Florian?« Marie-Louise Halstaff kam in die Diele und reichte ihrem Sohn die Wangen zum französischen Kuss.
»Ein bisschen blass schaust du aus.«
Florians Mutter, eine elegante Erscheinung, sehr schlank und zierlich, betrachtete Florian aufmerksam. Aufrecht ging sie voran ins Wohnzimmer. Wie das ganze Haus, das von den Bomben des Zweiten Weltkriegs verschont geblieben war und über eine Wohnfläche von 300 Quadratmetern verfügte, war auch das Wohnzimmer mit Eichenparkett ausgelegt und hatte eine Deckenhöhe von mehr als drei Metern. Es gab mehrere Sitzecken und Lichtquellen, die die Rot- und Brauntöne der Sofas und der Teppiche vorteilhaft hervorhoben und ihnen einen warmen Schimmer verliehen.
Florian fühlte sich sofort wieder heimisch, auch wenn er im Grunde seines Herzens froh war, der Selbstverständlichkeit, mit der sich seine Mutter ihren exquisiten Geschmack leistete und zur Schau stellte, längst entkommen zu sein. Wie so oft meinte Florian auch jetzt, den süßlichen Duft der Dekadenz, den Möbel und Teppiche verströmten, förmlich riechen zu können. Um jedoch in seinem Innersten keine Missstimmung aufkommen zu lassen, weigerte er sich, diesem Eindruck nachzugehen und steuerte entschlossen auf die von ihm bevorzugte altrosafarbene Couch am Fenster zu. Erschöpft ließ er sich in die Kissen fallen und streckte die Beine aus.
»Wie wäre es mit einem Aperitif?«
»Gern.«
Seine Mutter goss ihm ein Glas Vermouth ein und nahm mit der Eiszange einen Eiswürfel aus dem silbernen Kübel, der auf dem Beistelltisch stand. Sie gab auch eine Scheibe Zitrone hinzu, die vermutlich Anna fürsorglich aufgeschnitten hatte. Florian hob sein Glas. »Zum Wohl, auf alle Feierabende unseres Lebens.« Genussvoll nahm er einen Schluck. »Du trinkst nichts?«
»Später zum Essen. Erzähl, was gibt es Neues?« Marie-Louise sah ihn forschend aus ihren grünen Augen an, die sie Florian vererbt hatte und die dunkel werden konnten wie die Blätter eines Waldfarns im Oktober. »Wir haben uns lange nicht gesehen.«
Florian begann ohne Umschweife zu erzählen: »Stell dir vor, sie haben meine Sendung gekippt. Angeblich, weil die eingeladenen Talkgäste kurzfristig abgesagt hätten.«
»Worum ging es denn?«, fragte seine Mutter und strich sich vorsichtig mit ihrer Hand durch das halblange, fast schwarze Haar, dessen Spitzen mit leichtem Schwung nach außen sprangen.
Vermutlich ist sie heute erst beim Friseur gewesen, dachte Florian, perfekt gestylt. Laut sagte er: »Um die rätselhaften Krankheitsfälle.«
»Ich habe davon gelesen.« Marie-Louise runzelte die Stirn und spielte mit ihrer langen Halskette, die aus unterschiedlich großen türkisfarbenen Dreiecken und Quadraten bestand und auf Florian den Eindruck machte, als stamme sie von einem türkischen Luxusjuwelier. Seine Mutter hatte ein Faible für außergewöhnlichen Schmuck und Florian musste zugeben, dass sie ein Händchen dafür hatte.
»Wer hat denn abgesagt?«, wollte Marie-Louise Halstaff nun genauer
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