Henkersmahl
den Spitzen der zerbrochenen Fensterscheibe verletzt hatte, aber irgendwann war es ihnen gelungen, den Blutfluss mit Handtüchern zu stoppen. Max hatte weder geflucht noch gejammert. Die Narbe, die an seinem Ellenbogen zurückgeblieben war, hatte sie auch als Erwachsene stets an ihr Abenteuer erinnert. Und die Finger hatten sie bis heute manchmal zum Gruß gekreuzt.
Florians Füße waren inzwischen eiskalt geworden. Fröstelnd zog er die Gardine zu und legte sich wieder ins Bett. Ein Blick auf den Wecker zeigte, dass es bereits 4 Uhr war.
Als seine Mutter und er bei Marianne angekommen waren, hatten sie eine völlig verstörte Frau vorgefunden, die so stark weinte, dass sie kaum ein Wort herausbrachte. Erst nachdem Marie-Louise einen befreundeten Arzt gebeten hatte, vorbeizukommen, um ihrer Freundin eine Beruhigungsspritze zu geben, war Marianne dazu in der Lage gewesen, zu berichten, was sie wusste. Max war gegen 21.15 Uhr bewusstlos in den Waschräumen eines Fitnessstudios gefunden worden, nachdem er ungefähr eine Stunde dort trainiert hatte. Der Inhaber hatte sofort den Notarzt alarmiert, aber der konnte nur Max’ Tod feststellen.
Florian setzte sich wieder halb auf und starrte an die Wand. Das Licht der kleinen Lampe wirkte seltsam tröstlich auf ihn. Gab es einen Zusammenhang zwischen Max’ Tod, den unerklärlichen Krankheitsfällen der vergangenen Tage und seinen Recherchen? Vielleicht hatten aber auch seine Recherchen über die rivalisierenden Kölner Jugendbanden etwas mit seinem Tod zu tun. Florian verspürte ein alarmierendes Gefühl in der Magengegend, das ihm seit der Nachricht von Max’ Tod die Eingeweide zusammenzog. War Max umgebracht worden? Wahrscheinlich sah er Gespenster. Florian knipste resolut das Licht der Nachttischlampe aus. Außerdem hatte Marianne erzählt, dass Max in den letzten Tagen über Herzrasen geklagt hatte und vorgehabt habe, deswegen einen Arzt aufzusuchen. Wahrscheinlich war er ganz einfach einer der Unglücklichen, die bereits in jungen Jahren einen Herzinfarkt bekamen. Bei dem Job wäre das auch kein Wunder, dachte Florian resigniert und wandte den Kopf in die Richtung, aus der er ein leises Schnurren vernommen hatte. Zicke, seine sechs Monate alte Katze, kam auf Samtpfoten ins Zimmer spaziert. Sie blieb etwa einen Meter vor dem Bett stehen, fixierte ihn mit ihren unergründlichen grünen Katzenaugen, machte einen Buckel und sprang mit einem Satz mitten auf seinen Bauch. Florian zuckte zusammen und fluchte. Kleines Miststück. Als der Schmerz nachließ, begann er sich über ihren Besuch zu freuen und streichelte zärtlich ihr orangeweiß gestreiftes Fell. Beruhigt von der wohltuenden Wärme des Katzenkörpers, fiel er in einen tiefen traumlosen Schlaf.
11
Die Trauerrede, die Regine Liebermann aus dem Stegreif vor der Belegschaft gehalten hatte, war kurz und knapp gewesen, dennoch ergreifend. Die Redaktion war völlig schockiert. Es hatte einige Stunden gedauert, bis sich die Aufregung und Betroffenheit so weit gelegt hatte, dass die Kollegen wieder an die Arbeit gehen konnten. Doch die Stimmung blieb gedrückt. Niemand brüllte, keine Tür knallte, und selbst die Telefone schienen nicht so schrill zu klingeln wie sonst. Glücklicherweise hatte Florian nichts mit der heutigen Sendung zu tun, die mussten Katja und Curt irgendwie hinkriegen, und nicht er.
Vielleicht hoffte Curt bereits, dass er Max’ Nachfolge antreten würde. Florian presste die Lippen zusammen. Er saß an Max’ Schreibtisch und versuchte, die Traurigkeit, die ihn lähmte, beiseitezuschieben und nachzudenken, aber es gelang ihm nicht. Die Frage, ob Max umgebracht worden war, hämmerte in seinem Kopf.
Katja und Curt hatten ihn zuvor gefragt, ob der Spinner sich noch mal gemeldet hatte. Bei ihm hatte er nicht wieder angerufen, aber das musste nichts heißen. Florian machte sich eine Notiz, er wollte sich nicht nur im Fitnessstudio umhören und in Erfahrung bringen, ob und mit wem Max dort gesprochen hatte, sondern sich auch Max’ Handy besorgen und sich in seiner Wohnung umsehen. Vielleicht fand er dort Informationen über die Jugendbanden.
Er durchsuchte Max’ Schreibtisch, entdeckte aber nichts, was ihm in irgendeiner Weise wichtig erschien, außer der Adresse von Peter Mallmann. Er steckte sie in seine Jacketttasche.
In diesem Moment öffnete sich die Tür, und Jana, sich vorsichtig auf dem Flur umblickend, kam rückwärts ins Zimmer. Florian sah überrascht auf. Reflexartig schob
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