Henkersmahl
genug entfernt. Nachdem die Bedienung zwei Tassen Kaffee gebracht hatte, begann Jana zu berichten. »Stell dir vor, die Kripo ermittelt im Fall Mallmann.« Sie beugte sich Florian über den Tisch entgegen und flüsterte: »Genauer gesagt, die Mordkommission.«
Das wusste Florian bereits von Eddie Klump, ließ es sich aber nicht anmerken.
Jana senkte die Stimme: »Hat sich der Typ, der dich und Max angerufen hat, eigentlich noch mal gemeldet?«
»Nein.«
»Gut.« Jana seufzte erleichtert. »Dann also zurück zum Glutamatderivat. Der Tote aus Ehrenfeld hatte das Derivat im Magen, ebenso wie alle anderen Erkrankten. Allerdings steht noch nicht fest, ob diese neue Form des Glutamats tatsächlich auch Mallmanns Tod herbeiführte.«
»Hoffentlich finden die Gerichtsmediziner das bald heraus. Wissen sie schon, in welchen Lebensmitteln es enthalten ist?«
»Unter Verdacht stehen zwei neue Produkte, die vor zwei Wochen auf den Markt kamen. Eine Vollmilchschokolade und ein Frischkäse. Vermutlich reden sie gerade mit den Herstellern.«
»Hast du die Namen?«
Jana nickte und zog einen Zettel aus ihrer schmalen, dunkelbraunen Aktentasche. Florian streckte die Hand aus und Jana schob den Zettel über den Tisch.
»Ziemlich bekannt.« Florian pfiff leise durch die Zähne.
»Ja. Und da ist noch etwas. Alle Opfer hatten Alkohol im Blut.«
12
Florian Halstaff verspürte eine starke innere Unruhe. Er hatte keine Lust, in die Redaktion zurückzukehren, zumal er sich sagte, dass er momentan am Schreibtisch sowieso nicht konzentriert und effektiv arbeiten könnte. Also entschied er sich kurz entschlossen, das Fitnessstudio aufzusuchen, in dem Max vor seinem Tod trainiert hatte. Anschließend wollte er zu Max’ Mutter fahren.
Ben Blumenthal, Geschäftsführer des Fitnessstudios, saß hinter der Empfangstheke und war gerade im Begriff, einen neuen Zeitplan für die wöchentlichen Trainingskurse aufzustellen, als Florian das moderne, hell erleuchtete Studio betrat. Er stellte sich ohne Umschweife als Max’ Freund vor und Ben Blumenthal legte seine Arbeit sofort beiseite, Max war schließlich Stammkunde gewesen. Blumenthal war tief betroffen darüber, dass Max in seinem Studio gestorben war, vor nicht einmal 24 Stunden, und Florian hatte den Eindruck, dass er ihm fast dankbar dafür war, dass er den gestrigen Abend Revue passieren lassen konnte.
Als Florian das Fitnessstudio nach einer halben Stunde wieder verließ, wusste er, dass Max mit einem athletisch wirkenden Mann Ende 30 nach dem Training von ungefähr 20 Uhr bis 20.30 an der Theke gesessen hatte. Max hatte die üblichen zwei Kölsch getrunken, allerdings über starke Kopfschmerzen geklagt, sodass Blumenthal ihm zwei Tabletten gegeben hatte. Die lagen für solche Fälle immer in seiner Schublade.
Max hatte auch eine Schnitte Brot gegessen. Ben Blumenthal war dies unangenehm aufgefallen, er hatte jedoch nichts dazu gesagt, weil Max normalerweise immer eine Kleinigkeit bei ihm bestellte, meistens einen Halven Hahn, das in Köln typische halbe Roggenbrötchen mit zwei dicken Scheiben mittelaltem Gouda und Zwiebelringen darauf. Als Max Richtung Dusch- und Umkleideraum verschwunden war, hatte der Unbekannte laut Blumenthal beide Rechnungen beglichen und das Fitnessstudio kurz darauf, gegen 21 Uhr, verlassen. Florian hatte ein weiteres Mal nachgefragt, aber Ben Blumenthal war sich absolut sicher gewesen, weder er noch Max hatten den Mann gekannt.
Jetzt, auf dem Weg zu Marianne, die nicht weit vom Fitnessstudio entfernt wohnte, überlegte Florian, dass es sich bei dem Unbekannten vermutlich schlicht und ergreifend um eine Zufallsbekanntschaft gehandelt hatte.
Ein unangenehm heftiger Wind trieb ihm Tränen in die Augen, und Florian war froh, als er bei Marianne vor der Tür stand. Als er Max’ Mutter jedoch vor sich sah, verspürte er den Impuls, auf dem Absatz umzukehren. Marianne Kilian war aschfahl im Gesicht, und ihre Bewegungen ähnelten denen einer Puppe. Florian vermutete, dass sie einiges an Beruhigungsmitteln intus hatte. Kurze Zeit später war er sicher, denn auf dem Küchentisch lagen neben zwei benutzten Kognakschwenkern mehrere Tablettenschachteln, darunter das ihm bekannte Psychopharmakon Diazepam. Seine Mutter hatte es hin und wieder eingenommen. Florians Blick fiel auf Mariannes Rock, der jede Menge Knitterfalten und Flecken aufwies. Ganz offensichtlich waren hier in der vergangenen Nacht Tränen und Kognaktropfen eine verzweifelte Symbiose
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