Henkersmahl
dürften nach BSE, Würmern im Fisch, verseuchten Futtermitteln und Gift in Fritten doch nicht mehr so empfindlich sein.«
»Mag sein. Wahrscheinlich ist den meisten nach all den Skandalen irgendwann sowieso egal, was sie essen«, überlegte Max und schlürfte seinen Kaffee.
Florians Blick fiel erneut auf Alfredos Menü und ihm lief das Wasser im Mund zusammen. Nachdem er seit zwei Wochen keine Zigarette mehr angefasst hatte, entwickelte er daraufhin einen sehr gesunden Appetit. Er spürte jetzt, wie das Hungergefühl in ihm aufstieg, denn er hatte heute nicht einmal gefrühstückt. Nach dem Gang auf die Waage, den er zwei Wochen lang erfolgreich vermieden hatte, war der Schock auf nüchternen Magen umso heftiger gewesen. Das Display hatte 108 Kilo angezeigt. Als sich die Ziffern auch beim erneuten Wiegen nicht veränderten, hatte er seinen Kühlschrank konsequent ignoriert. Er hatte sogar der Versuchung widerstanden, ein Glas Milch zu trinken. Florian nahm sich fest vor, heute Abend die fettarme Variante zu besorgen, möglichst aus dem Reformhaus oder aus dem Bioladen. Auf seinen heiß geliebten Latte macchiato zum Frühstück wollte er auch in Zukunft nicht verzichten. Aber weitere Überlegungen zu diesem Thema hatten Zeit bis heute Abend. Florian zögerte kurz, entschloss sich dann aber, Max doch zu fragen: »Woher hat Jana soviel Ahnung von EDV, dass sie dir Informationen aus fremden Netzen beschaffen kann?«
»Bis vor einem halben Jahr hat sie als Hacker-Fahnderin bei der Kölner Kriminalpolizei gearbeitet, als Angestellte in einer Datenverarbeitungsgruppe. Sie ist in der Lage, sich Zugang zu fast jedem System zu verschaffen«, antwortete Max.
Florian versuchte, seine Überraschung zu verbergen. Er ließ den seltsamen kleinen Laut, der über seine Lippen kam und sich fast wie ein Pfeifen anhörte, in ein Hüsteln übergehen. Scheinbar unberührt sinnierte er: »Bei der Kripo. Ich dachte, sie wäre eher links?«
»Ist sie auch«, sagte Max. »Deswegen hat sie den Job ja quittiert. Außerdem war er wohl nicht gerade üppig bezahlt.«
»Als Beamtin verdient man doch nicht schlecht«, hielt Florian dagegen.
»Soviel ich weiß, war sie nicht verbeamtet, sondern angestellt. Sie hat quasi für einen Hungerlohn gearbeitet. Aber nachdem sie ihr Informatikstudium abgebrochen hatte, war sie erst einmal froh, überhaupt einen Job zu haben.«
»Wollen wir hoffen, dass sie sich bei uns ein bisschen wohler fühlt.«
Max horchte auf: »Spricht da aus deinen Worten etwa mehr als nur berufliches Interesse?«
»Ach was.« Florian wandte sich schnell der Kaffeekanne zu und goss sich noch eine Tasse ein. »Schon mal was von Paragraf 202 a StGB gehört?«
»Ja, aber ich habe den Inhalt nicht mehr exakt präsent«, antwortete Max. Er legte seinen Kopf schräg und sah Florian erwartungsvoll grinsend an.
»Das Ausspähen von Daten kann mit einer Gefängnisstrafe von bis zu drei Jahren bestraft werden. Meinst du, Jana ist sich darüber im Klaren?«
»Sicher. Sie weiß, was sie tut. Aber wenn die Richter gnädig sind, kommt man auch mit einer Geldstrafe davon.« Max begann zu flüstern. »Und wenn ich es nicht für absolut notwendig halten würde, hätte ich sie nicht um diesen Gefallen gebeten. Immerhin stehen Menschenleben auf dem Spiel.«
Florian sah Max erstaunt an. »Weißt du etwa mehr? Erzähl.«
»Gedulde dich noch ein bisschen.« Max runzelte die Stirn. »Wenn ich sicher bin, erfährst du es als Erster. Nur so viel: Ich glaube, da ist eine ganz große Schweinerei passiert. Und mit den Leuten, die dahinter stecken, ist bestimmt nicht zu spaßen.«
4
Bingo.
Florian legte den Hörer auf. Ausgerechnet jetzt fiel sein Blick auf den Stapel Autogrammkarten, der auf der Ecke seines Schreibtischs lag. Sie waren bereits signiert und zeigten Jörn Carlo mit leicht nach vorn geneigtem Oberkörper und einem Grinsen, das er selbst für ein strahlendes Lächeln hielt. Viele Fans anscheinend auch. Über 50 Autogrammanfragen erreichten die Redaktion jeden Tag. Ein Glück, dass er sich darum, seit er fest als Redakteur angestellt war, nicht mehr kümmern musste.
Florians Blick wanderte zu seiner Armbanduhr. Es war gleich 12 Uhr, er hatte den ganzen Vormittag wie besessen herumtelefoniert, und nun war er endlich zufrieden. Er hatte für die Sendung nicht nur die Zusagen vom Leiter des Gesundheitsamtes und einer Referentin aus dem NRW-Innenministerium, sondern auch die Zusage einer indirekt Betroffenen. Gerade hatte er
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