Henkersmahl
ausgiebig mit der Ehefrau eines Opfers telefoniert, die ihren bereits bewusstlosen Mann ins Krankenhaus gebracht hatte. Sie war bereit, als Talkgast aufzutreten, und eventuell würde auch ihr Mann, der heute entlassen werden sollte, ins Studio kommen. Florian hatte bereits mit ihm telefoniert. Er war überzeugt davon, dass er in Kombination mit seiner Frau und den politischen Talkgästen die optimale Besetzung für die Talkshow wäre. Das Ehepaar, das sich glücklicherweise gut ausdrücken konnte, war emotional zwar sehr angegriffen, aber das war nicht schlecht, denn Emotionen ließen die Quoten steigen. Außerdem hatten sie mehrfach betont, dass sie großes Vertrauen in die Sensibilität des Moderators hätten. Florian verzog bei diesem Gedanken die Unterlippe. Wenn die wüssten, wie Carlo über manche seiner Talkgäste nach der Sendung herzog. Irgendwie, dachte Florian, mochte er sie alle nicht.
Aber unter journalistischen Gesichtspunkten betrachtet, war Carlo in jedem Fall der optimale Talkshow-Moderator, immer gut vorbereitet, schlagfertig und zu allem Überfluss auch noch attraktiv. Er war groß, schlank, und seine braunen halblangen Locken machten ihn zum Traum aller potenziellen Schwiegermütter.
Sie produzierten Diens-Talk in der Vulkanhalle, einem denkmalgeschützten Klinkerbau in Köln Ehrenfeld, auf dem Gelände des ehemaligen Leuchtstoffröhrenwerks Vulkan. Die Halle bot Platz für bis zu 800 Personen und hatte ein schönes Ambiente, für ihre Talkshow war sie die optimale Location. Wenn Jörn Carlo dienstags nach der Sendung in der Bar auftauchte, in der die Talkgäste mit ihren Angehörigen, die im Publikum gesessen hatten, einen Drink nahmen, rissen sich die Leute darum, noch einmal ein paar Worte mit ihm zu wechseln. Carlo genoss es, im Mittelpunkt zu stehen und angehimmelt zu werden.
Der Einzige, der offen zugab, mit Carlo Probleme zu haben, war der Leiter der Abteilung journalistische Unterhaltung beim Sender, für den sie Diens-Talk produzierten. Trotz der guten Quoten. Vermutlich, weil Barrick ahnte, dass Carlo den Menschenfreund nur mimte und weil er es hasste, dass er so gut aussah. Barrick selbst, mit Spitzbart, Geheimratsecken und Kasperlgesicht konnte joggen, so viel er wollte, selbst mit einem perfekten Körper würde sich kaum eine Frau für ihn interessieren.
Florian bemerkte, dass Barrick ihm tatsächlich leid tat, und er wunderte sich darüber. Er sah vom Notizzettel auf, den er sich für die Vorbereitung des Talks gemacht hatte, denn es hatte geklopft. Wenn das so weiterging, würde er den Showablauf zur Redaktionskonferenz nicht mehr fertig bekommen.
Eddie Klump steckte den Kopf zur Tür herein. Er war Boulevardjournalist und hatte hin und wieder spannende Tipps auf Lager, die sich für die eine oder andere Sendung als hilfreich erwiesen. Das Entscheidende aber war, dass Eddie und Max sich schon lange kannten, und die beiden sich gegenseitig immer wieder Informationen zusteckten. Eddie stammte aus einer alteingesessenen Kölner Familie und beherrschte das Klüngeln aus dem Effeff. Er agierte, wie die meisten Kölner, ganz nach dem Adenauer-Motto ›Man kennt sich, man hilft sich‹, und nicht zuletzt dadurch hatte er einen bemerkenswerten beruflichen Erfolg, der über Jahre anhielt. Gegen Klüngeln war im Grunde nichts einzuwenden, fand Florian. Solange es nicht kriminell wurde und Angestellte im öffentlichen Dienst und Unternehmen sich unter der Hand gegenseitig Vorteile verschafften, in dem sie sich Geld und Aufträge zuschoben. Doch genau dafür war Köln ja bekannt. Florian selbst hatte den guten Kontakten seiner Mutter zu verdanken, dass er als Redakteur bei Profi Entertainment arbeitete.
Jetzt, da er Eddie zur Tür hereinkommen sah, dachte er daran, dass Max ihn erst vor einiger Zeit mit dem Journalisten bekannt gemacht hatte, aber Max hatte sicher gewusst, warum. Kürzlich erst waren sie miteinander in der Schreckenskammer versackt, einer Brauereikneipe in der Ursulagartenstraße, bei reichlich Kölsch und abschließend Ramazzotti. Seither hatten sie sich nicht mehr gesehen.
Eddie machte einen erschöpften Eindruck auf Florian, er hatte tiefe Schatten unter den Augen, die trotz seiner rechteckigen Brille sichtbar waren.
»Hast du dir gestern wieder so eine Dosis verpasst?«, fragte Florian lachend.
»Um Himmels willen, eine Kölsch - und Kräutervergiftung im Monat reicht mir. Was du siehst, ist alles ehrlich erarbeitet. Sehe ich wirklich so schlimm aus?«
»Das
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