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Henkersmahl

Henkersmahl

Titel: Henkersmahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bärbel Böcker
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Computer setzen wollte. Gleichzeitig brannte ihm die Frage nach der Beziehung seiner Mutter zu Fresemann auf der Zunge. Kurz entschlossen beugte er sich über den Tisch. »Ist Fresemann mein Vater? Ich meine, bin ich Fresemanns Sohn?«
    Marie-Louise starrte Florian an. »Du bist mein Sohn.« Sie schüttelte den Kopf. »Daher weht also der Wind. Deine Gereiztheit, dein schneller Aufbruch aus dem Klub …«
    »Jetzt rede dich bitte nicht schon wieder heraus, sondern gib mir eine Antwort«, forderte er und spürte die seit Tagen aufgestaute Energie aus allen Poren seines Körpers weichen, als wäre er eine Luftmatratze, der man den Stöpsel herausgezogen hatte. Wenige Sekunden später stellte sich der wohlbekannte Stich im oberen, rechten Backenzahn ein.
    »Jörg Fresemann ist nicht dein Vater.«
    Florian war sich nicht sicher, ob sie die Wahrheit sagte, denn seine Mutter war eine hervorragende Schauspielerin. »Alexandra Poivrier ist da anderer Meinung«, sagte er.
    Marie-Louise Halstaff wurde blass. »Alexandra Poivrier?«
    »Ich soll dich herzlich von ihr grüßen.«
    »Ihr hattet Kontakt?«
    »Ja. Ich habe gestern mit ihr telefoniert. Dabei kam heraus, dass ich in Montreal zur Welt gekommen bin und nicht in Köln, wie ich immer dachte.«
    »Aber wieso habt ihr telefoniert? Woher hattest du ihre Nummer? Oder hat sie dich angerufen?«
    »Das spielt keine Rolle.«
    Marie-Louise erwiderte nichts. Ein lang anhaltendes Schweigen brachte die Luft zum Knistern.
    »Wieso hast du mir nie davon erzählt?«, fragte Florian schließlich.
    Seine Mutter erhob sich langsam von ihrem Stuhl und stellte sich ans Fenster, den Blick halb nach draußen gewandt.
    »Du warst mit Jörg Fresemann nicht nur befreundet, du warst mit ihm zusammen, stimmt’s?«
    Es dauerte eine ganze Weile, bis Marie-Louise Halstaff antwortete, und als sie sprach, klang ihre Stimme müde. »Ja, und ich war sehr in ihn verliebt. Eine Zeit lang. Als er sich dafür entschied, in Montreal Karriere zu machen, habe ich unsere Beziehung, oder wie immer man es nennen will, beendet.«
    Florian schluckte.
    »Jörg hatte kein Interesse an einer festen Bindung«, fuhr Marie-Louise fort. »Er liebte die Liebe. Das war schon hier in Köln nur allzu deutlich geworden.« Sie betrachtete ihre Hände, und es dauerte einen Moment, bis sie wieder aufsah. »Damals habe ich mir vorgenommen, ohne Männer klarzukommen. Mein Leben lang. Hörst Du? Mein Leben lang!«
    »Das ist dir ja wohl auch geglückt.«
    »Ja. Glücklicherweise habe ich bald gemerkt, dass ich sie wirklich nicht brauche.«
    Florian lachte bitter.
    Marie-Louise sagte mit Nachdruck: »Ich wollte ein Kind, und als ich feststellte, dass ich von Jörg schwanger war, behielt ich es für mich.«
    Florian massierte sich mit der linken Hand die Stirn. Sein Vater lebte also. Er war da, auf der Welt, mitten in Köln.
    Marie-Louise seufzte tief. »Irgendwann musste es ja mal herauskommen. Was willst du wissen? Starr mich nicht so an.«
    »Alles.«
    »Also gut.« Sie holte tief Luft. »Ich habe erst gemerkt, dass ich schwanger bin, als dein Vater schon nach Montreal abgereist war, und da war es zwischen uns bereits aus. Deswegen habe ich ihm nichts davon erzählt.«
    »Aus wegen einer anderen?«
    »Aus wegen mehrerer anderer.«
    Florian musste daran denken, wie oft er Katharina betrogen hatte.
    »Als ich feststellte, dass ich ein Kind erwartete, bin ich Jörg hinterhergeflogen. Ich hatte die naive Hoffnung, dass es mit uns doch noch etwas werden könnte. Ich habe mich erstmal bei Alexandra einquartiert. Sie war damals meine beste Freundin. Ich kannte sie von unserer Zusammenarbeit im Millowitsch Theater, sie hat dort Regie geführt. Nach der Spielzeit ging sie wieder zurück in ihre Heimatstadt Montreal.«
    »Und was ist dann aus dir und Fresemann geworden?«
    »Gar nichts. Ich bin ihm umsonst hinterhergeflogen.«
    »Wieso?«
    »Ich rief ihn an, sagte ihm, dass ich da bin, und er schien sich zu freuen. Wir verbrachten einen wunderschönen Tag zusammen. Abends gingen wir essen, und da erzählte er mir, dass er in eine andere Frau verliebt sei. Es war ein Schock.«
    »Da hattest du ihm von der Schwangerschaft noch nichts gesagt?«
    »Nein, und ich habe mir damals geschworen, dass er auch nie davon erfahren soll. Ich war außer mir, einem Nervenzusammenbruch nahe. Alexandra hat mich aufgefangen, ich weiß nicht, was ich ohne sie gemacht hätte. Ich bin dann irgendwann wieder abgereist, habe es aber in Köln nicht ausgehalten und bin

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