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Henkersmahl

Henkersmahl

Titel: Henkersmahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bärbel Böcker
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dichte Strickmütze, die er über das Gesicht gezogen hatte, ließ keine weiteren Anhaltspunkte zu. Florian fragte sich, ob es Garcias Kumpel aus dem Billard Café gewesen sein könnte. Er hielt es für vorstellbar, aber ihm kamen auch der junge Mann mit dem Pferdeschwanz und Horst Schäfer in den Sinn. Und Curt? Florian erstarrte. Von der Figur her käme Curt tatsächlich in Betracht. Eher jedenfalls als Schäfer, der viel zu kompakt war, oder der Junge mit dem Pferdeschwanz, der ihm zu schmal zu sein schien.
    Florian griff neben sich und fummelte eine Schlaftablette aus der Packung, die der Arzt ihm gegeben hatte. Er wollte nicht mehr denken. Einfach die zermürbenden Gedanken ausschalten und ruhig werden, auch, was das Gespräch mit seiner Mutter und die Gedanken an seinen Vater betraf. Als Zicke gegen 10 Uhr morgens hungrig und maunzend ins Schlafzimmer schlich, lag er noch immer im Bett wie ein Toter.

     

38
    Florian erwachte erst gegen 12 Uhr mittags mit einem dicken Kopf, und schluckte sofort zwei Schmerztabletten. Gegen eins fühlte er sich einigermaßen dazu in der Lage, aufzustehen. Er versorgte die Katze, die er erst suchen musste, weil sie sich in seinem Kleiderschrank versteckt hatte, und wankte ins Bad. Die Rippen schmerzten, doch die heiße Dusche, die er sich gönnte, tat ihm gut. Ein vorsichtiger Blick in den Spiegel offenbarte ihm ein geschwollenes Gesicht, das auf der rechten Wange eine dicke Naht aufwies, umgeben von einem dunkelvioletten Bluterguss. Dank der Puderdose, die Katharina bei ihrem Auszug vergessen, die er aus purer Nostalgie nicht entsorgt hatte, gelang es ihm, die gröbsten Hautverfärbungen zu kaschieren. Mit Erleichterung stellte er fest, dass seine Lebensgeister langsam zurückkehrten. Er hatte Hunger. Nachdem er sich satt und entspannt genug fühlte, griff er zum Telefon. Rössner war im Amt, und Florian fragte sich, ob der Kriminalhauptkommissar seit dem gestrigen Abend überhaupt einmal zu Hause gewesen war, doch im Grunde genommen hatte er auch nichts anderes erwartet.
    Seine Reaktion fiel kühl aus, von Mitleid keine Spur. Florian hatte sogar den Eindruck, eine leichte Schadenfreude durchs Telefon zu spüren. Der Kriminalhauptkommissar stellte zwar die üblichen Fragen und wollte wissen, ob Florian Anzeige gegen Unbekannt erstatten wolle, aber alles mit einem sarkastischen Unterton. Dafür müsse er persönlich vorbeikommen, sagte er, Anzeige erstatten ginge nur schriftlich und unter Vorlage des Personalausweises. Florian hätte schwören können, dass Rössner am anderen Ende der Leitung sogar grinste. Umso mehr erstaunte es ihn, dass er ihm von ersten Hinweisen zu dem Phantombild erzählte. Der Unbekannte, der mit Max im Fitnessstudio war, sei in Mainz gesehen worden.
    Nach dem Telefonat überlegte Florian kurz, ob er auch noch Jörg Fresemann anrufen sollte, verwarf den Gedanken aber sofort wieder. Was sollte er ihm sagen? Hallo, hier spricht dein Sohn? Lächerlich.
    Im Büro herrschte wohltuende Stille. Nicht das leiseste Klingeln eines Telefons, keine hektischen Schritte auf dem Flur und auch keine Stimme, die den Druck verriet, unter dem die Redakteure und Redakteurinnen so kurz vor der nächsten Sendung standen. Üblicherweise waren einige für die Sendung verantwortliche Kollegen auch am Wochenende hier, aber am heutigen Sonntag herrschte gähnende Leere, was nur bedeuten konnte, dass die Sendung über die neuartige Behandlung von Brustkrebs in trockenen Tüchern war.
    Die Zeiger der Armbanduhr standen auf halb drei. Florian nahm an seinem Schreibtisch Platz und griff sich die Liste der Betroffenen. Den Aussagen Rössners zufolge war zu den insgesamt 46 Opfern wenigstens kein weiteres hinzugekommen.
    Um 18.30 Uhr schob Florian endlich das Telefon von sich. Er hatte viele Opfer erreicht, insgesamt 22 Telefonate geführt. Verblüffenderweise hatten die Erkrankten durchgängig von Kopfschmerzen vor ihrem Zusammenbruch berichtet. Die meisten hatten mindestens zwei Kopfschmerztabletten mit dem Wirkstoff Acetylsalicylsäure geschluckt. Florian wählte die Nummer von Ben Blumenthal, dem Betreiber des Fitnessstudios. Von ihm erfuhr er, dass Max gegen seine Kopfschmerzen Paracetamol eingenommen hatte.
    Als Jana das Zimmer betrat, stand Florian in Gedanken versunken mit dem Rücken zur Tür am Fenster.
    »Sorry, ich wollte dich nicht erschrecken«, sagte sie amüsiert, als sie bemerkte, dass er leicht zusammenzuckte. Nachdem sie Florians entstelltes Gesicht gesehen hatte,

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