Henkersmahl
gegeneinander. Seit dem Morgen stand er hier mit seinen Möbeln, und inzwischen war er richtig durchgefroren. Infolge der mangelnden Bewegung und der niedrigen Außentemperatur trotz Sonnenschein war seine Stimmung stündlich gesunken. Mittlerweile tendierte sie gegen Null. Er hatte bis eben nur einen kleinen Beistelltisch und zwei Stühle für insgesamt 120 Euro verkauft, und in einer Stunde würde er bereits wieder einpacken. Fletters dachte daran, dass er demnächst wohl Hartz IV beantragen müsste, wenn sein Geschäft nicht bald besser lief. Während er missmutig seinen Gedanken nachhing, beobachtete er einen Mann, der sich für einen Esstisch aus Eiche zu interessieren schien. Nervös rückte er seinen Firmenaufsteller mit dem Schriftzug ›Fletters Exquisite Möbel‹ zurecht. Vielleicht würde er doch noch etwas Geld einnehmen.
»Super Holz«, sagte er zu dem Interessenten und fügte nach einer kleinen Pause hinzu: »Allererste Qualität. Nur geölt.«
»Was soll das Stück kosten?« Florian gefiel der Esstisch tatsächlich. Er nahm die Maserung des Holzes in Augenschein und ertappte sich bei der Überlegung, ob Jana den Tisch auch mögen würde. Über den Abend bei ihm zu Hause hatten sie kein Wort mehr verloren, aber er war erleichtert, dass sich die Befangenheit zwischen ihnen gelegt hatte. Florian seufzte leise. Da hätte er die attraktivste Frau, die ihm seit Katharina begegnet war, haben können und hatte sie verschmäht. Er war ein Idiot.
»800 Euro«, sagte Fletters, Florians Gedanken störend.
»Und in 90 auf zwei Meter?«
»Das haben wir gleich.«
Daniel Fletters nahm Stift und Zettel zur Hand und addierte, subtrahierte, multiplizierte mit gesenktem Kopf ganze Zahlenreihen. Während er rechnete, fand Florian ausreichend Gelegenheit, ihn zu beobachten. Er wunderte sich darüber, wie schmächtig Fletters war und wie ausgezehrt er wirkte. Sein blasses Gesicht machte einen kränklichen Eindruck, so, als ob der Kampf des Lebens ihn trotz seiner maximal 30 Jahre bereits allzu sehr anstrengte.
»Verkaufen sich die Sachen gut?«
»Eigentlich gar nicht so schlecht.« Fletters sah von dem Stück Papier auf. »Aber die Konkurrenz schläft nicht.«
»Das kann ich mir denken.« Florian dachte daran, dass Fletters mit der Miete im Rückstand war.
»Deswegen würde ich Ihnen den Tisch auch für nur 1200 Eier bauen.« Fletters machte einen doppelten Strich unter die Rechnung und sah Florian erwartungsvoll an. »Was sagen Sie dazu? Ein echtes Schnäppchen.«
Florian schnäuzte sich die Nase. »Klingt nicht schlecht. Ich werde darüber nachdenken.«
»Tun Sie das.«
»1.000 Euro?«, fragte Florian.
Fletters lachte laut auf. »Sie wollen mich wohl ruinieren?« Er überlegte einen Moment. »1100, weniger ist nicht drin.«
»Das ist ein Angebot. Ich werde Ihnen nächste Woche Bescheid geben.«
Daniel Fletters reichte Florian eine schlichte, schwarz-weiße Visitenkarte.
Während er sie begutachtete, sagte er wie nebenbei: »Ein guter Bekannter von mir hat sich übrigens auch von Ihnen einen Tisch bauen lassen. Als Dankeschön für den Auftrag haben Sie ihm einen Rotwein geschenkt, den hat er zur Feier des Tages geöffnet. War richtig lecker.«
»Freut mich.«
»Leider trug die Flasche kein Etikett. Was war das eigentlich für ein Wein?« Fletters zuckte mit den Schultern. »Ein Spätburgunder aus Dernau? Wieso interessiert sie das?«
»Ich würde auch gern ein paar Flaschen davon haben. Ich bezahle natürlich.«
»Gute Kunden kriegen schon mal ein Fläschchen geschenkt, aber ich kann Ihnen nichts mehr besorgen.«
»Warum?«
»Ich habe nichts mehr.« Daniel Fletters dachte daran, dass er inzwischen auf Tims Bitten hin die restlichen Flaschen in den Ausguss geleert hatte.
»Schade. Schauen Sie mal, könnte es dieser Wein gewesen sein?« Florian nahm eine Flasche aus der Tüte, die Schäfer ihm mitgegeben hatte und hielt sie Fletters hin. Der schüttelte den Kopf. »Dieser vielleicht?« Florian nahm den unetikettierten 2008er heraus.
»Keine Ahnung, grüne Weinflaschen gibt es viele.«
»Die Flasche hat mir ein Winzer namens Horst Schäfer mitgegeben, ich war heute bei ihm in Dernau.«
Daniel Fletters starrte Florian an.
»Einige der Menschen, die diesen Wein aller Wahrscheinlichkeit nach getrunken haben, sind jetzt tot, andere liegen im Krankenhaus. Es waren allesamt Ihre Kunden oder Freunde Ihrer Kunden.«
»Das glaube ich nicht.« Fletters’ Adamsapfel hüpfte auf und ab.
»Es spricht aber
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