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Henkersmahl

Henkersmahl

Titel: Henkersmahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bärbel Böcker
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wieder zurück zu Alexandra, da war ich im siebten Monat.«
    »Und bist bis nach meiner Geburt geblieben«, schlussfolgerte Florian. Er betrachtete seine Mutter plötzlich mit anderen Augen.
    »Deinen Vater habe ich bei meinem zweiten Besuch in Montreal nicht mehr gesehen.«
    »Hat sich dein Hass auf ihn inzwischen gelegt?«
    »Nach vielen Jahren verblasst der Schmerz.« Marie-Louise zuckte mit den Schultern.
    »Ist er verheiratet?«
    »Wo denkst du hin? Nein, aber er ist ruhiger geworden.«
    Florian schwieg einen Moment, dann fragte er: »Wieso besitze ich dann eigentlich nicht die kanadische Staatsbürgerschaft?«
    »Ich wollte, dass du die deutsche bekommst.«
    »Warum?«
    »Nenne es Patriotismus oder Nationalgefühl, ganz wie du willst. Ich habe entsprechende Anträge gestellt und nach ein paar Monaten warst du Deutscher.«
    Florian und seine Mutter hingen beide ihren Gedanken nach.
    »Und? Bist du nun zufrieden?«, fragte sie leise.
    »Blöde Frage.«
    »Es tut mir leid.«
    »Ah ja.« Florian biss sich auf die Lippen und atmete tief durch. »Jörg Fresemann weiß nach wie vor nichts von mir?« Mein Vater wollte ihm nicht über die Lippen.
    »Nein.«
    Seine Kehle wurde eng. »Hast du noch Kontakt zu Alexandra?«
    »Ja, alle zwei, drei Monate telefonieren wir miteinander. Sie hat es übrigens nie gut geheißen, dass ich dir nichts von deinem Vater erzählt habe. Hat sie dich angerufen?«
    »Nein. Wir haben auch nicht telefoniert.«
    »Wie bitte?« Marie-Louise starrte Florian entgeistert an.
    »Das war gelogen. Ich fand zufällig Alexandras Briefe auf dem Dachboden, ebenso wie ein Foto von dir und Jörg Fresemann, und auch meine kanadische Geburtsurkunde. Es lag alles zusammen in einer kleinen Holzkiste. Ich musste also nur eins und eins zusammenzählen.«
    »Du hast mich angelogen? Alexandra hat dir gar nichts von all dem erzählt?« Florians Mutter war fassungslos.
    »Nein.« Er schüttelte den Kopf.
    Sie stand auf, zog sich ihren Mantel an und verließ ohne ein weiteres Wort die Wohnung.

     

37
    Florian wälzte sich im Bett von der einen auf die andere Seite. In seinem Kopf tobte ein stechender Schmerz. Die Schläge mit dem schweren Knüppel, die ihn nach Mitternacht auf dem Weg vom Bickendorfer Billard Café zur Bushaltestelle getroffen hatten, waren so massiv gewesen, dass er sofort auf dem Bürgersteig zusammengesackt war.
    Und zu allem Überfluss war er umsonst ins Billard Café gefahren, Garcia war nicht dort gewesen. Florian hatte in der Kneipe zwar einen seiner Kumpel wiedererkannt, aber der hatte sich kein Sterbenswörtchen über Garcias Aufenthalt aus der Nase ziehen lassen. Nicht einmal das.
    Florian stöhnte. Der Mann hatte derart heftig zugeschlagen, dass er nicht die geringste Chance gehabt hatte, sich zu wehren. Noch immer sah er die großen, schwarzen Lederstiefel mit den grünen Schnürsenkeln, die erbarmungslos auf ihn eintraten, vor sich. Militärstiefel. Obwohl er ihm zuwider war, fasste Florian einen Entschluss. In Zukunft würde er seine Wohnung nicht mehr ohne Janas Pistole verlassen.
    Vermutlich hatte er nur der Tatsache, dass zwei Fußgänger vorbeigekommen waren, zu verdanken, dass es nicht schlimmer ausgegangen war. Der Mann war Hals über Kopf geflohen. Jetzt, beinahe fünf Stunden nach dem Überfall, der sich ungefähr gegen Mitternacht ereignet hatte, mit schmerzendem Oberkörper und einer genähten Platzwunde im Gesicht, herrschte draußen weiterhin tiefschwarze Nacht. Florian setzte sich auf, griff nach dem Wasserglas, das neben seinem Bett stand, und schluckte mühsam eine Tablette. Jemand hatte wieder und wieder auf ihn eingeschlagen. Aber warum? Ein Raubüberfall war es jedenfalls nicht gewesen, der Mann hatte weder Geld noch Wertsachen eingefordert. Florian schloss die Augen. Im Gegensatz zu Max hatte er Glück gehabt, er lebte. Immerhin. Ein schiefes Lächeln glitt über sein Gesicht.
    Seine Retter hatten ihn per Taxi in die Notambulanz des nächsten Krankenhauses bringen lassen, wo der Arzt ihn röntgen ließ. Glücklicherweise war nichts gebrochen, und es war kein inneres Organ verletzt. Prellungen. Florian zog die Bettdecke dichter um sich und legte sich vorsichtig zurück auf den Rücken. Das Bild des Mannes mit den Stiefeln erschien vor seinen Augen. Florian krampfte die Hände zusammen. In der Gezieltheit des Angriffs hatte eine unfassbare Brutalität gelegen. Der Mann musste größer als 1,90 Meter gewesen sein. Er war schlank und durchtrainiert gewesen, aber die

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