Hennessy 02 - Rätselhafte Umarmung
Studentenversammlung wäre er vielleicht nicht weiter aufgefallen, aber Alaina, die eher ihre Bürgerrechte als ihre goldene American-Express-Karte aufgegeben hätte, hielt wenig von einer solchen Aufmachung.
Er warf ihr einen Blick aus dem Augenwinkel zu und sank noch tiefer in sich zusammen, als er ihre mitleidige, besorgte Miene bemerkte. Er wusste nicht, ob er es ertrug, von Alaina bemitleidet zu werden. Es sah ihr wesentlich ähnlicher, den Leuten die Leviten zu lesen und sie mit einem Tritt in den Hintern wieder aufzumuntern.
»Du brauchst nicht nervös zu werden«, sagte sie und zog eine ihrer teuren, rationierten Zigaretten aus dem Silberetui mit Monogrammgravur. Ohne sich um den tadelnden Blick ihres Gatten zu kümmern, zündete sie die Zigarette an und zog tief und genußvoll daran. Während sie den Rauch ausatmete, wanderte ihr wissender Blick wieder zu Bryan hinüber. »Ich werde dich bestimmt nicht bemitleiden. Faith hat mir erzählt, daß sie das schon vergeblich versucht hat.«
»Habt ihr drei schon daran gedacht, eure beachtlichen Kommunikationskünste in den Dienst eines Geheimdienstes zu stellen?« fragte er und zog verärgert die Brauen hoch. »Ich könnte dir jemanden vermitteln.«
Alaina ignorierte die Bemerkung, allerdings nicht den tiefen Sinn dahinter. »Und wenn du eine spirituelle Analyse wünschst, dann wird Jayne sie dir liebend gerne geben. Ich gebe realistische Ratschläge.«
Er wand sich, als er das Wort hörte. »Bitte, ich hatte heute schon mehr als genug Realismus. Ich glaube, ich kriege langsam Ausschlag davon.«
»Darf ich mal sehen?« fragte Dylan breit grinsend. Sein verschrobener Sinn für Humor durchdrang sogar Bryans Trauermantel und entlockte ihm ein kurzes Lachen.
Alaina verdrehte die Augen.« »Hast du nichts zu tun - ein paar Fische ausnehmen oder so?«
Ihr Mann beugte sich weit über die Bar und berührte ihre Nasenspitze mit seiner. »Ja, aber das wollte ich später zusammen mit dir machen, meine Süße. Ich weiß, daß du's gern schleimig hast.«
»Hau ab, Harrison«, antwortete sie, ohne mit der Wimper zu zucken. Eher würden die Polarkappen schmelzen, als daß Alaina Montgomery-Harrison ihre manikürte Hand an einen toten Fisch legte.
»Du willst mich nicht dabei haben?« Dylan zuckte mit den Achseln. »Ich habe kapiert. Ich kann eine Anspielung verstehen.«
»Seit wann?« fragte sie trocken und hielt ihm die Wange zum Kuss hin.
Er winkte Bryan zu und kam hinter der Bar hervor, um die vielen Gäste zu bedienen, die hier auf einen Aperitif hereinschauten, bevor sie in einem der vielen eleganten Fischrestaurants Anastasias verschwanden.
»Du kannst wirklich stolz auf ihn sein«, bemerkte Bryan.
»Ja, das bin ich. Und was ist mit dir?«
»Ich? Stolz auf Dylan? Mein Gott, Alaina, ich mag ihn, aber ...«
Sie brachte ihn mit einem scharfen Blick zum Schweigen. »Spar dir die Nummer, Bryan. Vielleicht kannst du einen Uneingeweihten damit beeindrucken, aber dazu kannst du mich kaum rechnen, stimmt's?« Sie hielt in typischer Anwalts-Rhetorik inne, um ihrem Argument Gewicht zu verleihen, und setzte dann ihr Kreuzverhör fort: »Rachel?«
Bryan nippte an seinem Drink und starrte auf die vollen Regale hinter der Bar. »Es klappt nicht«, antwortete er kurz.
Alaina zog lange und nachdenklich an ihrer Zigarette. Sie hatte befürchtet, daß das passieren würde. Trotzdem sagte ihr ihre Intuition, daß Rachel Lindquist Bryan wirklich liebte, und jeder Idiot konnte sehen, wieviel Bryan an Rachel lag. Der Mann war bis über beide Ohren verliebt. Sie wusste sogar, was es für Probleme gab - unvereinbare Lebensauffassungen und erschwerende Umstände. Wie aber konnte das geändert werden?
»Weißt du«, erklärte Bryan in der Hoffnung, nicht noch mal in dieser Nacht über seine Gefühle ausgeforscht zu werden, »vielleicht ist es ja am besten so. Ich bin nicht nach Anastasia gekommen, um mich gleich in die nächste hoffnungslose Affäre zu stürzen. Ich habe Rachel und Addie geholfen, so gut ich konnte ... aber es hat eben nicht geklappt«, endete er unvermittelt.
Ruhig und schonungslos legte sich Alaina ihre Strategie zurecht. Die Schläge auszuteilen war allerdings etwas anderes. Sie hasste es, anderen Schmerzen zuzufügen, vor allem, da Bryan ohnehin schon litt, aber sie sah keinen anderen Weg.
Sie atmete tief durch, setzte sich auf und ging zum Angriff über. »Vielleicht hast du recht. Du bist wirklich noch nicht reif für so was. Gut, du hast es probiert, und
Weitere Kostenlose Bücher