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Henningstadt

Henningstadt

Titel: Henningstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Brühl
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trübsinnige An wandlung, wenn nicht, wird sie zumindest hinausge zögert.
    Henning überlegt, wo Steffens Pornos sein könnten, so er denn welche hat. Er kann sich nicht daran erinnern, Stef fens Bett schon mal gemacht gesehen zu haben. Und unter dem Bett befindet sich eine große Schublade für das Bettzeug. Henning geht also mal los ins Schlafzimmer um nachzusehen, was da eigentlich drin ist, und er wird fün dig. Eine Reihe Videokassetten und die gesammelten Jahr gänge der Zeitschrift magnus befinden sich darin. Henning nimmt ein paar Kassetten mit und setzt sich vor den Fernseher.
    Erst ist er befremdet, und nach einer Weile der Ratlo - sig keit kichert er. Er hat den Fehler begangen, den Ton anzulassen. Und das Glück, dass der Ton bei der Raubko pie noch gut verständlich ist. Weil aber niemand mitlacht, wird das schnell langweilig, und als er beim Spulen eine Stelle ohne Ton gefunden hat, wird es ihm zu anstren gend, die Distanz aufrecht zu erhalten. Henning kommt zusammen mit dem Typen, der gefickt wird. Die Sonne geht majestätisch über den Bergen auf und taucht das Zim mer in goldene Farben. Nach ein paar Dutzend Se kun den zieht ein kleines böses Wölkchen vor die Sonne, und Henning schämt sich ein bisschen, weil er einen Or gasmus hatte.
    Henning geht pissen. Er packt seinen Schwanz lang sam aus und behält ihn beim Pinkeln fest in der Hand. Er ist noch halb steif, und es kommt ihm so vor, als sei sein Schwanz in letzter Zeit gewachsen. Leider hat er ihn nie gemessen. Das Bächlein plätschert, und Henning ist mit seinem Schwanz zufrieden. Alles könnte so schön sein, wenn Henning nicht eigentlich verzweifelt wäre:
    Steffen fort, Eltern sauer, geschockt und überfordert, und der dumme Lars hat sich zusammenschlagen lassen.
    Während Henning die letzen Tropfen abschüttelt, schlägt ihm die Erinnerung an die Katastrophen in den Nacken. Eine nach der anderen. Er schlurft ins Wohn zim mer zurück und versenkt sich in die Couch. Henning fixiert das Fensterkreuz und denkt gar nichts. Nach zwan zig Minuten sagt er zum Fensterkreuz: «Henning alleine. Henning alleine.» Beim dritten Mal kann er eine Kinder stimme überzeugend nachmachen und dann ist das Spiel uninteressant.
    Selbstmitleid ist die wahre Geißel der Menschheit! Hen ning könnte ja schließlich froh sein, dass er kein Kind in Äthiopien ist und Zeit für so ausgefallene Probleme hat. Ist er aber nicht. Trotzdem fasst er sich bei dem Ge dan ken an Äthiopien ein Herz und versucht herauszu fin den, an welcher der drei Katastrophen er etwas ändern kann und kommt zu dem Schluss, keine davon rückgän gig machen zu können. Aber er hat eine Idee!
    Ermannt und am eigenen sittlichen Gefühl aufgerich tet, verlässt Henning das Wohnzimmer — die Sonne spielt einen Tusch — , um das Telefon an seiner langen Strip pe zu holen. Er sucht Steffens Adressbuch, das nor ma lerweise auf dem Schreibtisch liegt. Steffen scheint es mitgenommen zu haben. Henning findet aber Christians Adresse und Nummer auf einem Briefumschlag.
    Wer würde den permanenten Ansturm von Kata stro phen auf dieser See von Plagen nicht im Lauf hemmen, nicht die Wogen des Schicksals glätten wollen, indem er sich ihnen entgegenwirft? Henning wählt also Christians Nummer.
    Der historische Reporter mit Wahrheitsanspruch be hauptet, Steffen sei nicht bei ihm, und wenn er nicht bei Tete sei, dann wisse er auch nicht, wohin er vor Henning geflüchtet sein könnte. Henning legt auf. Er kann Chris tian nicht leiden.
    Er findet einen Brief und drei Postkarten, die mit Tete unterzeichnet sind. Mit Adresse im Absender! Außerdem die Postkarte von Lutz. Sie ist undatiert, liegt aber fast zu oberst in einem Stapel mit Karten und Briefen. Henning stöhnt auf. Ist das der Grund? Ist er nach Frankfurt gefah ren, um diesen Typen zu sehen? Henning schlägt mit der Faust auf den Tisch. Er will es nicht wahrhaben. Er will nicht, dass es so ist. Ganz ruhig, denkt er sich. Er atmet ein paar Mal tief durch. Wenn Steffen kein Arschloch ist, dann... Und außerdem hat er geschrieben, er fährt zu einer Freundin, und außerdem, wenn er mit dem Typen was haben will, was soll dann diese beschissene Aktion mit Wegfahren, wenn sie verabredet sind? Henning steckt die Postkarte ein.
    Henning beschließt, ihm hinterherzufahren und ihn zur Rede zu stellen. Und wenn der nicht da ist, sieht er sich die Hauptstadt an. Immer noch besser, als hier rum zu hängen. Er muss hier weg! Raus! Er hat Sehnsucht nach Steffen.

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