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Henningstadt

Henningstadt

Titel: Henningstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Brühl
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verschwindet rasch im Gebüsch und kommt rasch wieder zurück.
    «Blödes Gewichse!», sagt er, legt sich hin und sieht sich die Männer in der Umgebung mürrisch genauer an. Da mit es Spaß machen soll, muss es schon ein bisschen bes ser passen als gerade.
    Tete will gar nicht wissen, was passiert ist. Für sie kommt keiner der Herren, die hier rumliegen, in Frage, und bevor sie ins Gebüsch geht, um da nachzusehen, liest sie lieber. Deshalb versorgt sie sich schließlich mit interes san ten Büchern. Und nicht zu klein gedruckt! Das Auge liest schließlich mit.
    «Sex ist doof!», sagt Steffen unvermittelt.
    «Ach!», sagt Tete, ohne aufzublicken.
    «Man kann hier ja wirklich pausenlos Sex haben», sin niert Steffen.
    «Wenn man das möchte — », sagt Tete langsam.
    «Du möchtest ja offenbar nicht», meint Steffen.
    Tete legt ihr Buch weg. «Ich kann nicht pausenlos.»
    «Warum nicht?»
    «Ich will nicht.»
    «Warum nicht?»
    «Weil ’ s keinen Spaß macht.»
    «Was?»
    «War nur ein Witz.»
    «Na ja! Aber die Lebensenergie muss doch fließen!»
    «Ich bin die Wüste, die sich selber grillt!»
    «Wann hattest du denn zum letzten Mal Sex?»
    «Neulich.»
    «Ja?», hakt Steffen nach.
    «Mein lieber Steffen! Ich habe mich lange genug in den Darkrooms dieser Stadt rumgetrieben: Ich hab nette Be kann te und ich muss nicht mit irgendwem ficken. Und ich meine das ganz praktisch. Und gar nicht wenige. Ich genieße das sehr: Sex mit Männern, die ich nicht kenne, aber regelmäßig. Und dann ist es immer so schön, alte Freundschaften wieder aufzufrischen!»
    Ein Fahrradfahrer braust dicht an ihnen vorbei.
    «Und ansonsten will ich die Homousie: wahren Sex und wahre L iebe!»
    «Wahren Sex und wahre Liebe? Gibt es das?»
    «Ob es das gibt oder nicht, wir haben es in Nicaea be schl o s sen und ich will es! — Natürlich gibt es wahre Lie be und wahren Sex, du dumme Nuss! Und besonders im Darkroom! Da wird die göttliche Liebe auch nicht so von der Kenntnis des Menschlichen getrübt.»
    Sie nimmt ihr Buch und schlägt es ihm liebevoll über den Kopf.
    Langsam bummeln sie zur S-Bahn. «Sag mal», setzt Stef fen an, «kennst du das Gefühl, dass dein ganzer Kör per sich wund anfühlt, wenn du keinen Sex hast?» Tete blickt zu Steffen rüber. Seine Stirn liegt in Falten. Tete seufzt.
    «Früher dachte ich, ich muss sterben, wenn ich sieben Tage keinen Sex hatte.»
    «Ja, genau», murmelt Steffen nachdenklich.
    «Aber inzwischen weiß ich, wie man als Leiche lebt. — Wir müssen uns mich als einen glücklichen Leichnam vor stellen.»
    Die S-Bahn rauscht in den Bahnhof. Still steigen sie ein und fahren zu Tete. Steffen will sich heute Abend mit Mar tin treffen, einem gemeinsamen alten Freund. Sie ha ben gestern kurz telefoniert. Tete ist einverstanden. Mar tin will zurückrufen.
    Tete spült. Steffen schält Zwiebeln. Radiomusik dudelt vor sich hin. Die beiden genießen die Küchenromantik. Immer wieder zufällig berühren sie sich beim Herumhan tieren. Zur Abwechslung gibt es mal Spaghetti. Das Tele fon klingelt. Tete lässt das Glas sanft auf den Grund des Spülwassers sinken. «Ich geh schon», teilt sie Steffen mit, damit die Zwiebeln irgendwann mal fertig werden. Es gibt nichts einzuwenden gegen Steffens gewürfelte Zwie beln. Sie sind perfekt. Und es braucht seine Zeit, bis sie diese akkuraten Formen angenommen haben. Rom wurde auch nicht an einem Tag erbaut.
    Tete nimmt ab und meldet sich mit Vor- und Zuna men.
    «Hallo», sagt eine Stimme am anderen Ende der Leitung. «Ich bin dein Schicksal!»
    «Ach, hallo!», sagt Tete. «Wie geht ’ s denn so?»
    Pause.
    «Du mußt Ja sagen!», sagt das Schicksal.
    «Jetzt?», erkundigt sich Tete.
    «Ja», sagt das Schicksal schlicht mit seiner herb-männ li chen Teddybärenstimme.
    «Wozu?», will Tete wissen.
    «Zu allem Seienden», sagt das Schicksal.
    «Bitte? Wie käme ich dazu?», erkundigt sich Tete ent geistert. Pause. Das Schicksal hat es nicht eilig; es ist auch nicht gerade gesprächig. Tete setzt sich. Natürlich ist sie be reit, sich auf ein Gespräch mit dem Schicksal einzu lassen, wo es schon mal anruft. Sie zündet sich eine Ziga rette an.
    «Wozu soll ich Ja sagen, du Idiot?», versucht Tete er neut, dem Schicksal eine Antwort zu en tl ocken. Pause. Ent ferntes Knistern in der Leitung. Keine Antwort. Das Schicksal schweigt. Typisch, denkt Tete. Soll sie einfach auflegen?
    «Ich denke, ich habe dazu keinen Grund,», schiebt sie nach.
    Das Schicksal antwortet:

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