Henry - Das Buch mit Biss (German Edition)

erlosch. Doch mein
Kopf weigerte sich vehement, so etwas auch nur zu denken.
    „Er
ist tot.“
    Ihre Worte
waren wie Schläge in meinen Magen.
    Ich
taumelte. Lysander? Tot? Aber wie war das möglich?
    Lysander
war ein ausgezeichneter Kämpfer, beinahe so stark wie Dimitri. Und nun.
    Lysander,…
Der große Blonde mit dem lebendigen Blick. Er war temperamentvoll und ergänzte
Pandoras kühles Wesen perfekt. Er war groß, stolz und immer wie ein großer
Bruder zu mir.
    Er
war.
    Pandora
schien einem Nervenzusammenbruch nahe.
    „Hat
Olivia ihn getötet? Weißt du, wo Isobell ist?“
    Sie
schüttelte den Kopf, unfähig zu antworten.
    Ich
spähte ins Unterholz. Hunderte Vampire. Aber wo waren sie? Wo hielten sie sich
versteckt? Hatte jemand einen Schutzschild über sie ausgebreitet?
    Das
machte alles keinen Sinn. Ohne zu wissen was ich tat, führten mich meine
Schritte weg von Pandora und dem leblosen Lysander in ihren Armen. In meiner
Brust begannen zwei übermächtige Gefühle miteinander zu ringen. Ich verabscheue
das Töten und die Trauer über Lysanders Dahinscheiden lähmte meine Glieder.
    Mit
einem Mal schmeckte ich die Bitterkeit des Verlustes wie schon lange nicht
mehr.
    Das
Tier, welches ich all die Jahre tief in mir zurückgedrängt hatte, brüllte,
schrie und forderte Olivias sofortigen Tod. Ich verabscheue das Töten, doch
diesmal würde ich eine Ausnahme machen!
    Gerade
als ich meine Zähne ausfuhr, stand ich wieder am Ufer des Flusses. Allein.
    Ich
blinzelte.
    Was
zur Hölle war hier los?!
    Dann
fiel mein Blick auf Isobell, die mit aufgerissenem Brustkorb am Boden lag. Ich
wollte schreien, doch dann sah ich genauer hin. Ihr Bild, Isi selbst, sie… verblasste
wie ein schlechtes Hologramm.
    Und
endlich dämmerte es mir.
     
    „Wo versteckst du dich?“,
rief ich. „Ich hab dein Spiel durchschaut, du falsche Natter!“
    Isobell
war nicht tot, genauso wenig wie Lysander. Und Kaylen saß sicher daheim.
    Olivias
Kraft bestand nicht darin, andere zu kontrollieren, vermutlich gab es nicht
einmal die Vampirarmee, die Pandora in ihrer Vision erblickt hatte.
    Die
Glut des Triumphes entbrannte in meinem Inneren.
    Olivia
war ein Trixer; sie konnte einem Bilder in den Kopf pflanzen.
    Ich
begann aufzulachen. Das Echo klang leicht verrückt, doch das kümmerte mich
nicht. Ich hatte verstanden.
    „Bravo“,
klatschte es auf einmal hinter einem Baum und die rachsüchtige Rothaarige trat
dahinter hervor.
    „Wer
hätte gedacht, dass ausgerechnet der Kleine mein Spiel durchschaut. Und das, wo
es mir doch so viel Freude bereitet!“
    Ihre
Augen leuchteten in einem gefährlichen Dunkelrot.
    Es war
nur eine Frage der Zeit ehe sie sich auf mich stürzen und mir den Kopf abreißen
würde. Ich musste sie am Reden halten, bis mir etwas einfiel.
    Sie
mochte zwar eine Neugeborene mit unglaublichen Kräften sein, doch der Blutrausch
machte es ihr schwer, klar zu denken.
    Mir
hingegen blieb gar nichts anderes übrig, als mich auf meinen Dickschädel zu
verlassen.
    Gott
steh mir bei!
     
    „Du bist erbärmlich,…“
begann ich und versuchte so arrogant wie möglich zu klingen. „Anderen die Tode
ihrer Familie vorzugaukeln anstatt sie von Angesicht zu Angesicht zu bekämpfen.
Wir haben dich wirklich überschätzt. Als hätte es dir gelingen können, eine
ganze Armee aufzustellen. Lachhaft!“
    Olivias
zarte Stirn wurde von Furchen durchzogen.
    „Ich
hatte Helfer! Doch ihr habt sie beide ermordet!“
    „Tja,
dann musst du dir beim nächsten Mal wohl bessere suchen“, schnalzte ich und
drehte mich unauffällig dem nächsten Baum zu. Wenn ich einen spitzen Ast
abbrach, und ihn ihm richtigen Winkel durch ihr Herz jagte…
    „Genug
gelabert, Kleiner!“, schrie sie und wollte ich gerade auf mich stürzen, als
plötzlich Nero hinter ihr auftauchte und ihr einen heftigen Schlag gegen den
Kopf verpasste.
    Sie
sank ohnmächtig zu Boden.
    So
ging‘s natürlich auch.
    Nero
nickte mir grimmig zu. „Sie ist ein Trixer, dieses Miststück! Ich habe Dinge
gesehen,… bis mir dämmerte, dass da was nicht stimmt.“
    Ich
nickte ebenfalls.
    Kurz
darauf stolperte auch der Rest meiner Familie aus dem Wald. Olivias Bann war
gebrochen.
    Isi
sah am schlimmsten aus.
    Welche
Bilder Olivia wohl in ihren Kopf gepflanzt hatte?
    „Oh
Mathurin!“, rief sie, und fiel mir um den Hals.
    Scheinbar
hatte sie meinen Tod gesehen, daran gemessen, mit welcher Inbrunst sie mich nun
umarmte.
    „Es
ist vorbei“, sagte Kassia und richtete ihr Haar.
    Dimitri,
der