Henry - Das Buch mit Biss (German Edition)
du.“
Ich
zuckte mit den Schultern. „Na schön, aber Olivia ist bis nach Kanada geflohen.
Selbst für einen Wolf ist das zu weit. Das hätte Stunden gedauert. Und da du
nicht fliegen kannst…“
„Beim
nächsten Mal sagst du mir Bescheid.“
Ich
versprach es. Doch warum sah Hannah noch immer so verkniffen aus?
„Was
ist eigentlich los? Und wo ist Jeremy?“ Ich hatte mich so an den Hund gewöhnt,
dass Hannah seltsam bloß wirkte, ohne den allgegenwärtigen Bodyguard an ihrer
Seite.
„Er
ist daheim und das ist auch gut so. Ich muss mit dir unter vier Augen reden.“
„Worüber
denn?“, fragte ich. Warum machte Hannah es so spannend, anstatt einfach mit der
Sprache rauszurücken? Und was konnte so wichtig sein, dass sie Jeremy deswegen
außer Haus haben wollte?
„Darüber“,
sagte sie kalt und drückte mir ein verkratztes Etwas in die Hand. Mein Handy.
„Super,
danke! Ich hab schon überall danach gesucht. Wo hast du es denn gefunden?“
„Im
Wald.“
Im…
oh. Im Wald. Hieß das etwa…?
„ Du hast mir den Stein gegen den Schädel gedonnert?!“
„Ganz
recht.“
„Mann
Hannah, du hättest ruhig ein wenig feinfühliger sein können. Ich hatte
Kopfschmerzen als hätte ich drei Tage durchgesoffen.“ Ich lächelte schräg.
Hannahs
Miene blieb unbewegt, bis es aus ihr herausbrach.
„Was
hast du dir nur dabei gedacht?! Ich dachte du wärst anders! Ich dachte, Kaylen
bedeutet dir wirklich was! Mehr als ein… Imbiss. Und ich bin auf dein Theater
reingefallen vonwegen wie wichtig sie dir doch ist, und der ganze Scheiß!“
Unwillkürlich
hatte ich den Mund geöffnet um zu protestieren, doch Hannah ließ mich nicht zu
Wort kommen.
„Du
hast mich angelogen. Und noch schlimmer: Du hättest sie fast umgebracht, ist
dir das klar? Wäre ich ein paar Minuten später gekommen, läge Kaylens
blutleerer Körper jetzt irgendwo da draußen und würde vor sich hinfaulen! Oder
wolltest du sie etwa in eine von euch verwandeln? Meine Familie hat mich
gewarnt, ich solle mich nicht mit Vampiren abgeben. Ich hab sie ignoriert, weil
ich angenommen hatte, dass das nichts als veraltete Vorurteile sind, doch
scheinbar lag ich falsch…“
Ich
wollte etwas entgegnen, doch ich stand da wie eingefroren. Hannahs
Anschuldigung hatte mich mit der Wucht eines Faustschlages getroffen.
„Du
bist nichts weiter, als ein widerlicher Blutsauger! Verschwinde! Ich will dich
nie wieder sehen.“ In ihren Augen bildeten sich Tränen, die sie verbissen
wegblinzelte.
Ich
wollte auf sie zugehen. Erklären. „Hannah, ich-“
„Raus
aus meinem Laden!“, schrie sie, die Wangen vor Zorn gerötet.
In
diesem Moment ähnelte sie einem Wolf mehr denn je.
Wahrscheinlich
brauchte sie Zeit um sich abzureagieren.
Ich
trollte mich.
Montag.
Dienstag.
Mittwoch.
Donnerstag.
Freitag.
Keine
Nachrichten.
Ohne
Hannah und Jeremy kam mir das Leben plötzlich unglaublich trist vor.
Ich
strich allein durch die Straßen oder verschanzte mich in meinem Zimmer und
hörte so laut Death Metal bis mir die Ohren klingelten.
War
ich schon immer so allein gewesen?
Selbst
Isobell gelang es nicht, mich aufzuheitern. Ich wollte sie erst gar nicht um
mich haben, weil ich wusste, wie sehr sie unter meiner Stimmung litt.
Ich
lag auf meiner Couch, den Kopfhörer schräg aufgesetzt.
Tod,
Tod, Tod, Toooood…
Nicht
einmal meine Lieblingsmusik konnte mich aufheitern.
Was
brachte es überhaupt noch zu leben?
Kaylen
hatte eine Höllenangst vor mir. Ich hatte sie in ihrem Zimmer beobachtet, ihre
Bettdecke um sich geschlungen, wie ein kleines Mädchen, das sich vor
Gespenstergeschichten gruselte. Wahrscheinlich war ich für sie nun wie eine
dieser Schreckensgestalten. Ein gefühlloses Wesen, das anderen in ihren
Alpträumen erschien.
Zumindest
hatte sie ihrem Vater nichts erzählt, sonst hätte der mit Sicherheit schon
längst unser Haus stürmen lassen. Ich hatte niemanden in meiner Familie von dem
Zwischenfall im Wald erzählt, sonst hätten sie sofort Nero losgeschickt um
Kaylens Gedächtnis zu löschen.
Bei
Hannah war es auch nicht gerade besser.
Sie
verachtete mich. Zu Recht.
Ich
hatte nicht den geringsten Schimmer, wie ich ihr wieder unter die Augen treten
sollte.
Aber
warum war sie auch so unglaublich stur? Sie ließ mir nicht einmal die
Gelegenheit, die Dinge zu erklären. Ich hatte Kaylen doch nicht absichtlich
verletzt. Es war auch nie mein Ziel gewesen, sie in einen Vampir zu
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