Henry - Das Buch mit Biss (German Edition)
saß ich einfach in meinem Zimmer und
starrte die weiße Wand an. Die Wand starrte zurück.
Stunde
um Stunde, während sich die Nacht langsam zum Tage wandelte.
Bis
ich einen Entschluss fasste. Ich würde die Sache nicht hinschmeißen, oh nein. Denn
es gab noch jemanden, um den ich mich kümmern musste. Aufgeben war keine
Alternative.
Reiß
dich zusammen, Henry! Nun musst du beweisen, aus welchem Holz du geschnitzt
bist.
Ich
war sowieso schon zu tief drin.
Als
hätte ich eine Wahl.
Am Morgen kamen Kassia
und die anderen von Vedas Party zurück. Nero, der sich immer wieder nach Hause
teleportiert hatte, wenn ihm dort langweilig geworden war, hatte nicht wirklich
herausgerückt, was im Schloss während Isis und meiner Abwesenheit vor sich
gegangen war.
Als
der Rest der Familie eintrudelte, erfuhren wir es. (Obwohl nicht die ganze
Familie anwesend war. Dimitri war der Einladung seines Schöpfers in den Süden
gefolgt und würde innerhalb der nächsten Woche nachkommen; Caleb war nach wie
vor verschwunden.)
Kassias
finsterer Gesichtsausdruck ließ mich schlucken.
„Wie konntet
ihr einfach die Party verlassen, ohne jemandem Bescheid zu sagen?“
Isi
und ich saßen auf der Couch im Wohnzimmer und zuckten simultan zusammen, wie es
zwei Geschwister eben taten, die gemeinsam etwas ausgefressen hatten.
Und
nun hielt uns Mama Kassia einen Vortrag.
„Ihr
habt Veda zutiefst beleidigt. Es ist eine Sache, nicht zu erscheinen, wenn man
eingeladen wird, aber sich vorzeitig davon zu stehlen ist absolut
unentschuldbar.“
Ihre
Stimme schwoll immer weiter an.
Nero,
der sich im Hintergrund herumdrückte, schien das Schauspiel zu genießen und
machte eine klare Kopf-ab-Geste.
Ich
zog eine Grimasse, doch unsere Anführerin bemerkte prompt, dass ich nicht
zugehört hatte, und wies mich zurecht.
„Gerade
von dir hätte ich mehr erwartet“, meinte Kassia dann, und warf Isobell einen
strengen Blick zu. Isi entschuldigte sich. Ich für meinen Teil wusste nicht,
was mich mehr störte. Neros Mätzchen hinter Kassias Rücken oder das fehlendes
Vertrauen in mich. Nachdem sie sich einigermaßen abreagiert hatte und ins Musikzimmer
verschwunden war, nutzte ich die Gunst der Stunde, um mit Pandora zu sprechen.
Sie schien trotz Lysanders beruhigender Worte noch immer verstimmt, weil Veda
ihre Schöpferin nicht eingeladen hatte, doch ich hatte eine Frage, die nur sie
mir beantworten konnte. Immerhin war sie in der Lage, Auren zu sehen und
Vampire zu orten.
„Was
ist mit Angeline? Weißt du, wo sie ist? Ist sie zurückgekommen?“
Noch
immer schüttelte es mich bei dem Gedanken, was Veda mit Angelines Familie
gemacht hatte.
Pandora
schien überrascht über meine Frage. „Natürlich ist sie zurückgekommen. Wir
waren mitten in den Bergen und als Neugeborene mag sie zwar sehr stark sein,
aber sie kann sich noch nicht in eine Fledermaus verwandeln. Was hätte sie denn
sonst tun sollen? Davonlaufen?“
Mir
gefiel Pandoras hochmütiger Tonfall nicht. Wäre ich an Angelines Stelle
gewesen, hätte ich Veda und alldem den Rücken gekehrt. Vermutlich.
Der
Gedanke, dass sie nun todunglücklich zwischen ihrer Schöpferin und deren
Lustknaben saß, wie eine Puppe in ein weißes Kleid gesteckt, mit dem einzigen
Anspruch, dekorativ auszusehen, machte mich traurig. Veda hatte sie als ihre
Tochter bezeichnet, doch das war wohl alles nur Show gewesen. Unwillkürlich
schüttelte es mich.
Als
wären da nicht schon genug Leute, um die ich mir Sorgen machte,… Ich musste
langsam damit aufhören.
Auf
diese Art wurde ich nur noch weicher, als ich eh schon war. Nero wollte sich
gerade über mich lustig machen, da gab es einen lauten Knall. Unsere Tür brach
aus ihren Angeln und eine Horde Wölfe fiel in mein Zuhause ein.
Ich
gebe zu, das hatte ich nicht erwartet.
Es passierte so
plötzlich, dass nicht nur ich zusammenzuckte. Ohne Vorwarnung stürzten wir uns
in den Kampf. Ethan, groß und schwarz, sprang direkt auf Nero zu.
Dem
gelang es gerade noch rechtzeitig, sich in den hinteren Teil unseres
Wohnzimmers zu materialisieren, ehe Ethans Zähne sich in sein bleiches Fleisch
gegraben hätten.
Die
Wucht des Sprunges war so gewaltig, dass Ethans Krallen bei der Landung
quietschend den Parkettboden aufrissen.
Lysander
und Pandora standen Rücken an Rücken, von Grace und dem zähnefletschenden Noah
in Schach gehalten.
Isi,
die einen Moment zuvor noch neben mir gesessen hatte, verharrte in
Lauerstellung und taxierte einen weißen Wolf,
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