Henry - Das Buch mit Biss (German Edition)
feindlichen
Angreifern.
Ich
grinste. War der olle Tannenzapfen ja doch noch für was gut.
„Psst,
hey, Jeremy. Hier oben. Ich bin’s, Henry!“
Jeremy
kniff zu Augen zusammen. Als er mich in den Zweigen ausgemacht hatte, stutze
er.
„Du
bist eine Fledermaus!“
Ich
rollte die Augen. „Herzlichen Glückwunsch. Deine Augen funktionieren noch. Aber
ich fürchte, dein Hirn hat etwas gelitten. Natürlich bin ich eine Fledermaus,
du Pudel.“
Er
versuchte seine Überraschung zu überspielen.
„…
aber was willst du denn hier?“
Ich
flatterte auf ihn zu und landete auf einem Ast über ihm.
„Also
ehrlich, Liebling, da macht man sich extra auf den Weg um dich zu sehen, und
dann so eine Begrüßung.“
Ich
spielte den Beleidigten, doch Jeremy ging nicht auf meine Stichelei ein.
„Wir
haben jetzt keine Zeit für so einen Quatsch“, meinte er und sah sich nervös um.
„Wenn dich die anderen erwischen,…“
Ich
seufzte dramatisch. Irgendwie wirkte seine Unruhe beruhigend auf mich. „Wir
beide haben es nicht leicht was? Leben in verschiedenen Welten, in Familien,
die einander bis aufs Blut bekämpfen….“
Jeremy
schien mir kaum zuzuhören. Er war zu sehr damit beschäftigt, nach seinem Rudel
zu lauschen.
„Okay,
jetzt mal Tacheles“, begann ich eine Spur forscher. „Deine Wolfskumpels sind
schon auf und davon, also mach dir nicht ins Fell. Ich bin nicht zum Spaß hier,
Jeremy. Ich muss mit dir reden.“
Er
nickte ernst.
Ich
begann von Hannah zu erzählen. Von den Plänen, die wir geschmiedet hatte, um
ihn aus dem Rudel zu holen.
„Warum
bist du überhaupt dem Rudel beigetreten?“, blaffte ich ihn an. „Du hast dich da
in einen ganz schönen Schlamassel reingeritten! Und wer darf die Chose
ausbaden? Ich! Dafür verlange ich eine Erklärung.“
Jeremy
schien bedrückt.
„Ich
kann mich nicht kontrollieren. Ich kann es einfach nicht. Ich habe dich und Hannah
angegriffen, das werde ich mir nie verzeihen. Ethan… er hat mir versprochen,
mir zu helfen, das Ganze in den Griff zu kriegen. Außerdem wollte ich keine
Last mehr für Hannah sein. Auch wenn sie sehr nett zu mir war, habe ich immer
stärker gemerkt, wie anstrengend es für sie war. Dass sie jedes Lächeln
Überwindung gekostet hat. Sie macht sich zu viele Sorgen. Und das will ich
nicht.“
Man,
das war doch nicht zum Aushalten. So sehr ich ihn auch hassen wollte, ich
konnte es nicht. Er machte es mir einfach schwer, mit seinem flauschigen Fell
und den großen grauen Augen. Ich sag das nicht gerne, aber ich empfand ehrlich
Mitleid mit ihm.
„Oh
ja, prima Taktik“, begann ich, um Jeremys Zauber ein wenig zu brechen. „Jetzt
macht sich Hannah natürlich viel weniger Sorgen um dich, du dämliche Flohtüte.“
Darauf
sagte Jeremy nichts. Er ließ bloß den Kopf hängen.
Ich
weihte ihn in meinen Plan ein und machte mich anschließend mit gemischten
Gefühlen davon.
Ich
wollte Jeremy noch ein letztes „Halt die Ohren steif!“ zurufen, doch als ich
meinen Kopf drehte, sah ich einen schwarzen Wolf, der geschmeidig über den
umgefallenen Baumstumpf lief und sich langsam auf die Lichtung zubewegte.
Ethan.
Hoffentlich hatte er nicht mitbekommen, dass – Oh oh.
Seine
gelben Augen fixierten mich, wie ich unschlüssig in der Luft schwebte. Er hatte
mich gesehen. Mit aller Ruhe der Welt schlenderte er auf Jeremy zu. Ich sah nur
noch, wie Jeremy den Kopf einzog. Das würde mit Sicherheit schmerzhaft. Ethan
würde Jeremy schon nicht umbringen, aber unsere kleine Unterhaltung würde
sicher nicht ohne Folgen für ihn bleiben. Mit einem unguten Bauchgefühl machte
ich mich aus dem Staub.
Kapitel 39
Unterm Sternenhimmel
Am nächsten Abend traf
ich mich wieder mit Hannah. Ich war so daran gewöhnt, bei ihr zu sein, dass
mich meine Schritte unwillkürlich in ihre Buchhandlung lenkten, ohne dass ich
überhaupt den Entschluss gefasst hatte, sie zu besuchen.
Hannah
öffnete wie selbstverständlich die Tür und ließ mich rein. Ich hatte ihr nicht
erzählt, dass ich Jeremy getroffen hatte. Was ich in die Wege geleitet hatte.
Ich
kaute auf meiner Lippe. Ob ich es ihr sagen sollte? Allerdings könnte das alles
verderben…
Doch
Hannah schien seltsam abwesend, als wäre sie mit ihren Gedanken ganz wo anders,
sodass ich mich kurzentschlossen um entschied.
„Du
siehst ungesund blass aus“, sagte ich. „Fast schon wie ein Vampir. Wie wär’s
mit ein bisschen Frischluft?“
Sie
nickte.
Wir
spazierten eine Weile unter dem Sternenhimmel durch
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