Henry - Das Buch mit Biss (German Edition)
vergessen,
entschuldige.“
„Nicht
schlimm.“
„Weißt
du Henry, du bist nicht wie die anderen Vampire.“
„Ach
nein? Wie bin ich dann? Besser aussehend? Stärker? Klüger?“
Sie
sah mich an, völlig ernst. „Menschlicher.“
„Ist
das… gut?“
Hannah
nickte. „Sehr gut sogar.“ Sie klopfte neben sich. „Lust, mir noch ein wenig
Gesellschaft zu leisten?“
Ich
hatte Lust. Als ich so neben ihr saß, begann ich verzweifelt nach einem
Gesprächsthema zu suchen, dass sich nicht um Noah oder den aufkommenden Krieg
drehte.
„War
Grace schon immer so… na ja, ungepflegt?“
Hannah
schüttelte den Kopf. „Nicht bevor –“
„Bevor
was?“, bohrte ich weiter.
„Ich
kann es nicht mal aussprechen.“
„So
schlimm?“
Hannah
nickte. „Wenn ich dir das erzählen soll, musst du schwören, es für dich zu
behalten.“
Ihr
ernster Tonfall machte mir Angst. Ich versprach es.
„Grace
kommt nicht aus der Gegend. Sie hat früher in einer Großstadt gelebt. Sie muss
wohl ganz lebenslustig gewesen sein, doch dann fand ihre Mutter einen neuen Lebensfährten,
der schon bald ein Auge auf Grace geworfen hatte.“
Ich
schluckte.
„Er
hat ihr schlimme Dinge angetan, wenn ihre Mutter nicht Zuhause war.“ Eine
dunkle Ahnung beschlich mich, dass ich nicht wissen wollte, wie die Geschichte
weiter ging, doch ich konnte nicht anders, als an Hannahs Lippen zu hängen. Vor
meinem geistigen Auge sah ich eine fröhliche Grace, über die sich ein Schatten
beugte.
In
Hannahs Augen bildeten sich Tränen, gleichzeitig ballte sie die Fäuste. „Irgendwann
verwandelte sich Grace. Es brach einfach aus ihr heraus. Und der Widerling
bekam seine Strafe.“ Ihre Stimme klang belegt.
„Hat
sie… ich meine, hat sie ihn umgebracht?“ Ich konnte nicht mehr als flüstern.
Hannah
ging nicht darauf ein, doch ich ahnte die Antwort.
„Daraufhin
ist sie weggelaufen. Ethan hat sie eher zufällig aufgegabelt. Anfangs war sie
sehr verschlossen, selbst uns gegenüber. Sie wurde Teil unseres Rudels, doch es
dauerte lange, ehe wir an sie herankamen. Seit dieser Zeit versteckt sie sich
hinter weiten Klamotten und kümmert sich nicht mehr um sich.“
Mein
Bild von Grace bekam plötzlich einen ganz anderen Farbton. Ich konnte nicht
anders; mein ganzer Körper zitterte. Wer hätte gedacht, dass hinter diesem
kratzbürstigen Mädchen so eine Vergangenheit steckte?
Hannah
sah mir genau in die Augen. „Sie hat sich verändert in letzter Zeit.
Deinetwegen. Dafür bin ich dir sehr dankbar. Pass nur auf, dass du ihr nicht
weh tust, okay?“
Meinetwegen?
Was hatte ich schon getan? Grace mochte sich wirklich verändert haben, doch ich
bezweifelte, dass ich etwas damit zu tun hatte. Ich wollte etwas sagen, doch
mein Hals fühlte sich unnatürlich trocken an, also nickte ich bloß. Einen
Moment lang dümpelte Nero durch mein Unterbewusstsein. Seine Gabe, Dinge
vergessen zu machen. Aber Grace würde sich sicher nicht drauf einlassen. Keiner
der Hunde würde das, sodass ich einfach erneut nickte und mir furchtbar unnütz
dabei vorkam.
Wir
saßen noch eine Weile einfach so nebeneinander, bis Hannah plötzlich die Augen
zufielen. Mich beschlich die irrsinnige Hoffnung, dass sie sich an mich
kuscheln würde.
Was
saublöd war, wirklich.
Hannah
hatte die Arme um ihre angewinkelten Beine geschlungen, den Kopf auf die Knie
abgestützt. Sie brauchte niemanden zum Anlehnen. Sie war sich selbst genug.
Kurz darauf war sie eingeschlafen und ich trug sie zur Couch im Wohnzimmer,
legte ihre Brille auf den Tisch und deckte sie zu. Dort lag sie, Arme und Beine
angezogen, und sah mit einem Mal winzig aus. Hannah war stark. Stärker als ein
Mensch und wohl auch als so mache andere Kreatur. Anders als Kaylen war sie
nicht auf meinen Schutz angewiesen. Irgendwie machte mich das traurig.
„Sie
sieht aus wie eine Puppe, oder?“
Ich
fuhr zusammen. Isi lachte leise. „Ich bin’s nur, Matti.“
Sie
stellte sich neben mich und betrachtete die schlafende Hannah. „Eigentlich
hätte sie in meinem Zimmer schlafen sollen. Na ja, das spielt jetzt wohl auch
keine Rolle. Faszinierend, nicht? Jemandem beim Schlafen zuzuschauen.“
Ich
nickte. Schon wieder. Langsam mutierte ich zu einem richtigen Wackel-Dackel.
Isi
sah mich an, mit ihrem Blick, vor dem man nichts verheimlichen kann.
„Liebe
ist nicht immer einfach.“
Ich
dachte an sie, Antoine und Caleb. Es war mir ein Rätsel, dass sie immer noch
etwas für ihren Ehemann zu empfinden schien und zugelassen
Weitere Kostenlose Bücher