Henry - Das Buch mit Biss (German Edition)
ich
hatte erkannt, wie blödsinnig es war, ihr weiterhin aus dem Weg zu gehen. Wir
waren alle Teil der Rettungsmission und mussten zusammen arbeiten. Grace
strahlte zurück. Und dann war da dieser eine Augenblick, im Bruchteil einer
Sekunde. Das Leuchten ihrer Augen, die einen Wimpernschlag länger an mir haften
blieben, als normal.
Da
wusste ich: Sie mochte mich wirklich.
Was
für ein seltsames Gefühl.
Grace
lachte wie ein Bauarbeiter. Sie war wirklich keine Schönheit, aber der Gedanke,
dass mich dieser momentan ausgelassene Mensch mochte, hatte etwas Schönes.
Warte,…
Mensch? Sie ist ein Hund. Eine grantige Hündin, Henry! Nur weil sie einmal
lacht, macht sie das nicht zu einem Engel.
„Bücherknicker?
Ey, Henry du bist dran“, kam es von der Seite. Jeremy rammte mir den Ellbogen
in die Seite.
„Ach
lass ihn doch. Soll ich dir helfen, Henry?“
Grace
beugte sich zu mir rüber. Scheinbar ermutigt durch meine Herzlichkeit
buchstabierte sie mit meinen Spielsteinen „Hochzeit“ und holte somit meinen
katastrophalen Rückstand etwas auf.
Ich
lachte nervös.
Kapitel 50
Handtücher und Gute-Nacht-Pillen
Graces Offenheit mir
gegenüber erreichte im Laufe des Tages einen neuen Höhepunkt. Dass ein
menschliches Wesen mit animalischem Einschlag zu solch einer Kehrtwende fähig
war, überraschte mich eiskalt und unvorbereitet.
Aber
von Anfang an.
Nicht
nur, dass sie mir beim Scrabble unter die Arme griff, und mir somit den zweiten
Platz sicherte, nein. Sie schien es sich fortan zur Aufgabe gemacht zu haben,
mir in jeder Lebenssituation helfen zu wollen.
Es
begann harmlos, indem sie den Abwasch übernahm. Als Untoter, der nichts zu sich
nimmt als frischgezapftes Blut, war ich natürlich etwas aus der Übung, als
Pandora mich dazu verdonnerte, die „Hinterlassenschaften dieser Köter“
wegzuräumen. Was übertrieben war. Auch ihr musste klar sein, dass normales
Essen Dreck bedeutete. Doch scheinbar sah sie sich über dererlei Trivialitäten
erhaben, nur weil sie zweihundert Jahre lang keinen Teller mehr abgespült
hatte. Dabei taten Hannah und die anderen schon ihr Möglichstes, ihre Sachen
wegzuräumen.
Eine
kleine Schüssel hatten sie dabei vergessen. Jeremys Müslischüssel. Und schon
war das Drama im Gange. Während sich Pandora also bei unserem Besuch unbeliebt
machte und einen Sauberkeitswahn entwickelte, der sie bei jedem gefundenem Haar
einen Anfall kriegen ließ, ging Isi voll in ihrer neuen Gastgeberrolle auf.
Schon nach dem Frühstück deckte einen festlichen Tisch mit Tischtuch und
Kerzenständern fürs Mittagessen und betrachtete jeden Teller und jede Gabel mit
einer absonderlichen Hingabe.
In
weiser Voraussicht hatten die Hunde nämlich ihren halben Hausrat aus der Hütte
im Wald mitgenommen und bereicherten unser Zuhause mit Dingen, die für uns
schon lange nicht mehr zum Alltag dazugehörten. So zum Beispiel der kleine
Kühlschrank aus einem Spooner Haushaltswarenladen, den Isi gemietet hatte, weil
wir keine Küche besaßen, und den sie mit einer bunten Mischung an Lebensmitteln
füllte.
Sie,
Jeremy und Hannah waren zuvor einkaufen gefahren und ich schwöre, dass meine
Schwester vor lauter Freude fast rosa Wangen hatte, als sie die Arme über und
über mit Essen beladen nach Hause kam.
Da
unser Haushalt neben Kühlschrank auch immer ohne Spülmaschine ausgekommen war,
durfte ich die Schüssel im Waschbecken im Badezimmer sauber machen.
Na ja,
zumindest bis Grace kam, und mir diese Last abnahm. Ich meine gut, es war nur
eine Schüssel, aber die Geste zählte. Soweit alles in Ordnung.
Doch
das Badezimmer sollte sich auch später als Ort der Begegnung zwischen uns
beiden in mein Gedächtnis brennen. Ich wollte duschen. Unter anderem deswegen,
weil Pandora mich darauf aufmerksam gemacht hatte, dass der Geruch unserer
Gäste auf mich übergegangen war. Nicht dass ich behaupten würde, dass Hannah
und die anderen stinken, aber nach ihrer Bemerkung fühlte ich mich doch etwas…
unsauber.
Also
nahm ich eine entspannte Dusche. Oder hatte es zumindest vor, denn plötzlich
öffnete sich die Tür und ich sah einen Schatten hinter dem Duschvorhang
vorbeihuschen.
Ich
schwöre bei allem was einem Vampir heilig sein kann, dass mir mein totes Herz
für einen Moment stehen blieb. (Haha.) Mein Unterbewusstsein spielte die
Melodie von Psycho, während ich in all meiner Nacktheit Graces Umrisse
beobachtete. Mein erster Impuls war, sie anzuschreien und meine Blöße
notdürftig mit der
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